SRF ist dabei

Glattgedanken

| Christian Ulrich

«Die Flut hat unser Haus stark beschädigt, und alle unsere Sachen wurden vom Wasser weggespült. Ich habe keine Kleidung mehr zum Anziehen.» - Dies sagt ein etwa 30jähriger Pakistani, der vor seinem Haus steht. Hinter ihm ist ein kleines Mädchen zu sehen, vermutlich seine Tochter.

Die Szene bleibt mir aus der SRF-Tagesschau vom Donnerstag, 18. April, in Erinnerung. Die Überschwemmungen in Afghanistan und Pakistan waren das Thema. Vor meinem Auge sehe ich den Mann, der fast nichts mehr hat - ausser einem kleinen Mikrophon an seinem Hemd. Das wirft bei mir eine Frage auf, die ich mir immer wieder stelle: Wie verläuft ein Interview mit Menschen, die nichts mehr haben oder todkrank sind oder ihre Angehörigen suchen?

Beispiel Ukraine-Krieg: Eine Journalistin und ihr Kameramann tauchen in der Stadt bei einem zerstörten Haus auf. Ein alter Mann wühlt verzweifelt in den Trümmern. Auf die Frage der Journalistin brichts aus ihm heraus: «Meine Tochter und ihre drei Kinder waren im Haus als die Rakete einschlug.» Was sag ich dann als Journalistin? Helfen kann ich nicht, habe keine Werkzeuge und keine Zeit. Wie verabschiede ich mich? «Alles Gute? – Kopf hoch, es kommen wieder bessere Zeiten? – Die Hoffnung stirbt zuletzt?» Alles lächerliche Floskeln in einer solchen Situation.

Ich habe den pensionierten Glattfelder Ruedi Müller auf das Thema angesprochen. Er war lange Jahre Tontechniker bei SRF, hat zu Kriegszeiten im Libanon solche Begegnungen erlebt. Er gesteht: «Es war für mich enorm belastend. Du siehst die Not und kannst nicht helfen, hast keine Zeit. Einem Frierenden haben wir mal die Jacke eines TV-Mannes gegeben. Aber wenn das Drittpersonen sehen, bist du schlagartig von zig Bedürftigen umringt. Ich habe das nicht lange machen mögen. Es gibt auch immer wieder Kameraleute, die psychische Schäden davontragen.»

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