Zwei Seelen auf der Achterbahn

Konzertkritik

| Koni Ulrich

Auch im Glattfelder Kulturzentrum konnten die beiden Protagonisten, zwei arme Bauernkinder, nicht zusammenkommen. Die Dramatik impulsiver Dialoge zwischen Schauspielerin und Musiker und das eindringliche Mitgefühl des Akkordeons machten den weltbekannten Stoff trotzdem zu einem völlig neuen Erlebnis.

Eine Lesung zeigt in der Regel eine Person, die aus einem zumeist eben erst erschienen Buch vorliest. Im Glattfelder GKZ ist am Sonntagabend alles anders. Zwar liest Eva Maropoulos durchaus zwischendrin ein paar Zeilen aus der aus dem 19. Jahrhundert stammenden Novelle Gottfried Kellers «Romeo und Julia auf dem Dorfe». Aber mehrheitlich steigt sie aus dem Buch heraus in ihre Rolle als verzweifelte junge Bauerntochter, die sich mit ihrem eigenen Vater völlig zerstritten hat und überhaupt nicht mehr weiss, wie es weitergeht. Musiker Goran Kovacevic untermalt die knappen Gesprächsszenen filmmusikähnlich mit seinem Akkordeon, aber nicht nur das. Mit spärlichem, mimischem Einsatz ist er gleichzeitig Vrenis Gegenpart Sali, dessen Situation nicht minder aussichtslos ist. Gerne möchte man den beiden einfach nur weiter beim Theaterspiel zuschauen und zuhören. Doch so einfach ist das nicht. Bald steigt das Duo von der Bühne und kehrt innert Sekunden ins Buch zurück.

Musik, Spiel und Tanz mit dem Verweigerer

Als die zwei jungen Leute beschliessen, sich noch einen lustigen Tag mit Musik und Tanz im Glattfelder Paradiesgärtli zu leisten, spielt der schwarze Geiger eine entscheidende Rolle. Nicht nur war er der rechtmässige Besitzer jenes Ackers gewesen, den die beiden Väter und Bauern in noch besseren Zeiten langsam aber sicher in ihren eigenen Besitz gepflügt hatten. Er erkennt auch die Verzweiflung in den Augen des jungen Paares und rät den beiden nichts weniger, als mit ihnen zu kommen. Sie sind die Zigeuner, die Staatenlosen, welche keinen Wohnsitz haben, sich zu nichts verpflichten und sich deshalb komplett frei fühlen. Logisch, dass unsereiner gedanklich sofort die Brücke zu den heutigen Verschwörungstheoretikern macht, welche den Staat als unnütze Erfindung einstufen und ihm abschwören. Allerdings, für Vreni und Sali ist jene Bande dann doch auch keine passende Lösung und dieser ihr letzter Entscheid endet in der Tragödie. Vorher klatscht und frohlockt das zahlreiche Publikum im Saal noch wacker mit, wenn sich die zwei ekstatisch im Tanze drehen. Dann leidet es mit, als das Unvermeidliche geschieht. Die Leichen des jungen Paares werden später im Rhein gefunden. Romeo und Julia eben - wir haben von diesem Schluss ja gewusst, aber so eindringlich hat uns diese Geschichte bisher noch niemand erzählt. Was heisst hier erzählt? - Mit relativ wenig Aufwand ganz neu gemalt.

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