Martin Ebnöther war mit Leib und Seele Hausarzt

Nachruf

| Koni Ulrich

Im nächsten Sommer will der Glattfelder Hausarzt Stephan Ebnöther aufhören. Bis 1991 hatte sein Vater Martin das Dorf in dieser Rolle 34 Jahre lang versorgt. Am 15. November ist dieser nun in seinem 99. Lebensjahr verstorben. Sein von ihm selber aufgesetzter und vom Sohn verlesener Lebenslauf in der katholischen Kirche zeigte das Bild eines reichen Lebens, geprägt von unermüdlichem Einsatz, aber auch von Dankbarkeit.

Martin Ebnöther wurde 1925 in Gross Brittannien, einer kleinen Gemeinde in Ostpreussen als zweites von sechs Kindern geboren. Der Ort lag an der Bahnlinie Königsberg (heute Kaliningrad) – Tilsit. Sein Vater und die Mutter waren Kinder von Auslandschweizern, welche zur Ausbildung in die Schweiz geschickt wurden. Auf einer solchen Heimreise lernten sich Vater Anton Ebnöther und Mutter Martha Hüsler kennen und heirateten 1922. 1936 bestanden Sohn Martin und sein langjähriger Freund die Gymi-Prüfung und besuchten fortan die Schule in Tilsit. Klassenkameraden hatten sich zum Teil an die Front verabschieden müssen und Martin bekam die ersten Musiklektionen mit der Geige und der Klarinette und gründete schon bald die erste Kapelle. Ein Jahr vor Kriegsende nahm der junge Mann das Medizinstudium an der Uni Königsberg auf. Später war jener Betrieb wegen des Krieges nicht mehr möglich und eine Verlegung nach Greifswald und später nach Zürich nötig. Während einer Assistentenstelle im St. Clara-Spital in Basel lernte Martin seine zukünftige Frau Vreni kennen. Da sie aber die Tochter des Chefarztes war, blieb eine gewisse Zurückhaltung vorerst angebracht.

Beginn zunächst in Zweidlen

Geheiratet wurde dann erst 1957, ein Jahr nach dem Start in der eigenen Praxis in Zweidlen, wo zuvor Max Riedel tätig gewesen war. Tochter Sabine und drei Söhne, Stephan, Beat und Urs-Peter erblickten das Licht der Welt. Nach dem Wegzug des Glattfelder Arztes Holger Gelpke 1968 wurde der Neubau mit Praxis und Wohnhaus an der Hohwindenstrasse bezogen. Bereits 1991 hatte der passionierte Hausarzt anlässlich der Übergabe seiner Praxis an seinen Sohn Stephan im Glattfelder Jahrheft von 1992 über ganze sechs Seiten von seinen Erlebnissen als Dorfarzt mit Tiefgang und Humor berichtet. Dabei zeigte er auch Talent und Freude am Schreiben. Kein Wunder deshalb, dass der zeitweilige Glattfelder Schulpräsident sich auch nach seiner Pensionierung intensiv mit seiner Vergangenheit befasste und wiederum vieles niederschrieb. Teile dieser kleinen Chronik wurden vom Sohn Urs-Peter an der Abdankungsfeier verlesen. Wenige Monate vor Martins 90. Geburtstag starb seine geliebte Frau Vreni und der Wittwer dachte nicht daran, die Wohnung an der Stockistrasse aufzugeben. Autonomie war ihm zu wichtig. Er kochte, wusch und machte den Haushalt, so lange es nur ging, und freute sich an den immer zahlreicheren Enkeln und den Besuchen seiner Kinder mit ihren Familien. Dabei hatte Sabine mit ihrer Familie in der italienischen Toscana den weitesten Weg. Typisch für den noch lange rüstigen Senior war, dass er bis zum Schluss nicht nachvollziehen konnte, weshalb die Nachfolge für die Hausarztpraxis seines Sohnes zu seinen Lebzeiten nicht geregelt werden konnte. Während der letzten Jahre im Glattfelder Altersheim wurde das Leben zusehends schwieriger, auch wenn seine drei Söhne oft auf Besuch kamen. Im 99. Lebensjahr nun hat sich der Kreis geschlossen und Glattfelden fragt sich, ob das Kapitel mit den Hausärzten nach 68 Jahren Familie Ebnöther nun wirklich zu Ende geht.

 

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