Reisephilosophie

Glattgedanken

| Christian Ulrich

Rückblickend am einzigen schönen Tag im November sitze in der Thurbo-S-Bahn und fahre durchs Tösstal. Die Thurbo-Züge haben wunderbar grosse Fenster, und – ich staune – inzwischen sogar Gepäckablagen. Sie sind vor den Fenstern angebracht, sodass die Fensterfläche nicht verkleinert werden musste. - Ich lese im NZZ-Magazin und stosse auf ein ganzseitiges Inserat der Fluggesellschaft «Emirates». Sie wirbt mit dem Slogan «Entdecken Sie neue Aromen». Ein junges Paar isst vor Bildschirmen sitzend «drei köstliche Gänge», wie die Werbung verspricht. Im Hintergrund sieht man zwei kleine Fenster.

Die Grösse der Fenster hängt mit dem Reisemodus zusammen. Nach meiner Meinung gibt es drei verschiedene Reisemodi, die sich überschneiden: Der Modus T steht für Transport. Wer im Modus T reist, interessiert sich nicht für die Umgebung, möchte nur so schnell wie möglich von A nach B gelangen. Der Modus E steht für Erleben. Er ist das exakte Gegenteil von T. Wer im Modus E reist, reist langsam, möchte die Umgebung erleben. Und dann gibt’s noch den Modus F für Fahrerlebnis. Wer sich im Modus F fortbewegt, fährt meistens an den Ausgangspunkt zurück, z.B. mit dem Pedalo auf dem See.

Im Thurbo reise ich im Modus E/t. Der Intercity hat viel kleinere Fenster als der Thurbo. Dort reise ich im Modus T/E oder T/e oder sogar T, falls ich die ganze Stunde zwischen Zürich und Bern am Laptop arbeite. Wenn ich im Flugzeug einen Sitzplatz am Gang nutzen muss, sind die Fenster noch kleiner als im Intercity und sorgen für Modus T. Dies suggeriert auch eine weitere ganzseitige «Emirates»-Werbung, die mir in die Hände fiel: Die Mutter schläft und die Kinder zeichnen oder sehen einen Film. - Im reinen Modus E bewegen sich nur gemütlich Radfahrende oder Wandernde. Ihre Fenster haben gar keinen Rahmen, sind also unbeschränkt gross.

Christian Ulrich

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