Scotts Napoleon

Glattgedanken

| Christian Ulrich

Der Film «Napoleon» von Regisseur Ridley Scott beschäftigt mich. Ich will darüber eine Kolumne schreiben und erfinde zwei Personen.

Er: Im Tages-Anzeiger vom 23. November unterzieht Journalist Michael Marti den eben angelaufenen Film einem Faktencheck. Regisseur Ridley Scott kommt nicht gut weg. Nicht nur ist sein Napoleon (N) ein lüsterner und vulgärer Kaiser, der Film erzählt auch Unwahrheiten. Er beginnt 1793 in Paris. Die Revolution ist im Gange. Königin Marie Antoinette wird geköpft und der damals 24jährige N steht im jubelnden Volk. Fakt ist allerdings, dass N damals als Brigadegeneral mit den Revolutionstruppen in Italien kämpfte. Das verstehe ich nicht.

Sie: Aber das ist doch ein Detail! Ein Regisseur hat gestalterische Freiheiten. Er behauptet ja nicht, dass sein Film historisch genau sei. Es ist ein Spielfilm, keine Dok. Wenn du an den seinerzeitigen Kinohit «Ben Hur» denkst, dann war das dort genauso. Die Wagenrennen mögen gestimmt haben, aber die Geschichte drumherum – auch mit historischen Figuren – war historisch sehr fehlerhaft. Das hat jedoch niemanden gestört.

Er: Die Figur Ben Hur hat damals aber vor dem Film nur gekannt, wer das gleichnamige Buch gelesen hatte. N hingegen ist eine historisch bestens bekannte Person und wer den Film ansehen geht, möchte gern eine spannende, gut aufgepeppte Geschichtslektion erleben.

Sie: Das glaube ich nicht! Wer ins Kino geht, möchte in erster Linie unterhalten werden.

Er: Vielleicht bin ich ein Pedant. Scott bringt’s nämlich noch dicker. Er lässt N bei Kämpfen um 1798 in Ägypten auf die Pyramiden schiessen. Es ist aber belegt, dass die Schlacht mehrere Kilometer von den Pyramiden entfernt stattfand, und ausserdem war N ein Bewunderer dieser antiken Monumente. Dieses «Detail» finde ich noch gravierender.– Soll man sich den Film überhaupt ansehen?

Zurück