Winter in Glattfelden: Störchin Judith trotzt der Kälte

Ein neuer Trend im Vogelzug?

| Yvonne Russi

Während die Storchensaison in Glattfelden im Frühherbst zu einem Ende gekommen ist, sorgt die Störchin Judith weiterhin für Überraschungen. Entgegen dem üblichen Zugvogel-Verhalten hat sie sich entschlossen, ihr Nest auf dem Kamin der Spinnerei als Winterresidenz zu behalten.

Die Beobachtungen der letzten Wochen, dass ein Storch den Kamin der Spinnerei in Glattfelden als sein winterliches Quartier auserkoren hat, hat unter den Einwohnern für Gesprächsstoff gesorgt. Viele meldeten sich mit der Frage, um welchen Storch es sich handele, der dort oben sein Nest bezogen hat. Die Antwort gab schliesslich die Marke am Bein des Vogels: Es ist Judith, die Störchin, die entgegen den Gewohnheiten ihrer Art, diesen Herbst nicht in den Süden geflogen ist.

Dieses Verhalten ist untypisch für Störche, die normalerweise in wärmere Gebiete fliegen. Ihr Partner Gottfried wurde letztmals Mitte September gesichtet. Diesem Umstand geschuldet wird vermutet, dass er wahrscheinlich seine Reise in den Süden angetreten hat.

Hat Judith den Abflug verpasst?

Die Entscheidung von Störchin Judith, ihren üblichen Zug nach Süden nicht anzutreten, erstaunt. Es gibt zwei Haupttheorien, die ihr Verhalten erklären könnten. Zum einen könnte Judith als Nachkommen aus einem Wiederansiedlungsprojekt stammen, um die Storchpopulation wiederzubeleben. Solche Störche bleiben oft in der Nähe ihrer Freilassungsgebiete, obwohl sie manchmal weite Gebiete durchstreifen. Zum anderen könnte ihr Verbleib in der Schweiz dem Klimawandel geschuldet sein. Denn vermehrt wird festgestellt, dass Zugvögel aufgrund der milderen Winter vermehrt in der Schweiz verbleiben.

Müssen wir uns um Judith sorgen?

Überwinternde Störche sind dank ihres Gefieders gut gegen Kälte geschützt und finden in der Regel ausreichend Nahrung, sofern der Boden nicht durchgehend gefroren oder mit Schnee bedeckt ist. Sie sind in der Lage, extremen Kälteperioden zu widerstehen und suchen bei Nahrungsmangel selbständig günstigere Gebiete auf. Schutzorganisationen wie Storch Schweiz empfehlen, diese Vögel nicht zu füttern, um ihre Unabhängigkeit zu fördern und sie nicht an einen unzureichenden Standort zu binden.

Das Überwintern ist ein erlerntes Verhalten, das seinen Ursprung in den Wiederansiedlungsprogrammen der 1990er Jahre hat, als die Störche in der Schweiz, im Elsass und in Baden-Württemberg nicht vor ihrer Geschlechtsreife freigelassen wurden. Dies führte dazu, dass freigelassene Störche lernten, in der Kälte zu überleben und ihr Verhalten an "wilde Störche" weitergaben. Es gibt Hinweise darauf, dass dieses Verhalten möglicherweise vererbt wird, und daher könnten in Zukunft mehr Störche in der Region überwintern.

Zurück