Vor genau einem Jahr fiel der Standortentscheid zum Tiefenlager

Bilanz nach 12 Monaten

| Ruth Hafner Dackerman

Vor einem Jahr schlug die Nagra Nördlich Lägern als Standort für ein Tiefenlager vor. Am Freitag ging es auf dem Stadler Turm um Fragen wie: Was bringt die Zukunft?

Die Nagra mit CEO Matthias Braun lud Medienschaffende ein, um eine Bestandesaufnahme zu machen. Was ist in diesem Jahr alles passiert? Welche Auswirkungen hatte der Entscheid zur Standortwahl für die umliegenden Gemeinden und deren Bevölkerung? Die drei Gemeindepräsidenten Dieter Schaltegger, Stadel, Stefan Arnold, Weiach, und Marco Dindo, Glattfelden, sowie Reto Grossmann, Co-Präsident Regionalkonferenz Nördlich Lägern, gaben einen kurzen Rückblick auf die vergangenen zwölf Monate und einen Ausblick in die Zukunft. Der Standort für die Medieninformationen schien gut gewählt. Vom Stadler Turm aus hatte man eine atemberaubende Aussicht auf die Gemeinden, welche vom Bau des Endlagers betroffen sein werden. Nur die Sicht aufs Haberstal wurde durch Bäume verdeckt.

Kraft, Mut und Zusammenhalt sind gefragt

Es sei schon eine Hiobsbotschaft gewesen, als vor einem Jahr bekannt wurde, dass das Jahrhundertprojekt für die jetzige und künftige Generationen im Haberstal in der Gemeinde Stadel gebaut werden soll, sagte Dieter Schaltegger. Nun müsse man gemeinsam eine Lösung aufgleisen in Bezug auf die Entsorgung des radioaktiven Abfalls der Schweiz. «Wir haben den Entscheid stets kritisch hinterfragt. Nun müssen wir für unsere drei Gemeinden das Optimum herausholen.» Mehr als 40 Prozent der Bevölkerung sei dem Tiefenlager gegenüber kritisch gestimmt, wie aus einer Umfrage hervorgegangen sei. Um die Ängste aus der Bevölkerung abzuholen, sei die Arbeitsgruppe «Stadel aktiv» gegründet worden. Es brauche nun Kraft, Mut und Zusammenhalt. Abgeltungsverhandlungen seien ein wichtiges Thema.

Im Haifischbecken gelandet

Beim Glattfelder Gemeindepräsidenten Marco Dindo tönte es ähnlich. «Frisch ins Amt gestartet, bin ich direkt im Haifischbecken gelandet.» Natürlich sei er vor einem Jahr sehr erschrocken gewesen über den Standortentscheid. Er habe viel eher mit dem Zürcher Weinland gerechnet. «Wichtig ist, dass das Tiefenlager am sichersten Ort gebaut wird. Aber wir wollen uns auch bei den Abgeltungsverhandlungen für unsere Gemeinde einsetzen.» Das Interesse am Projekt sei in Glattfelden offenbar nicht besonders gross. Dies liege wohl am Zeithorizont des Vorhabens. Bereits zwei Informationsveranstaltungen seien im Ebianum in Fisibach durchgeführt worden. Dabei ging es um Liegenschaftenpreise und mögliche Auswirkungen eines Erdbebens auf das geplante Tiefenlager. «Noch viel interessanter waren die Informationen zur Grossbaustelle Tiefenlager. «Was erwartet Stadel, Weiach und Glattfelden?» Weitere Veranstaltungen seien geplant. «Was passiert bei einem Flugzeugabsturz?» Dindo betonte, dass man glücklicherweise heute keine Entscheidungen treffen müsse, welche erst später anfallen. «Technologien können sich weiterentwickeln.» Zu bedenken gab er auch, dass alle drei Gemeindepräsidenten zu 100 Prozent einer beruflichen Tätigkeit nachgehen. «Neben den Aufgaben als Gemeindepräsident fallen zusätzlich fast 15 Prozent für das Tiefenlager an.»

Gesucht sind junge Leute mit Interesse

«Ich wünschte mir, wir müssten heute nicht hier sein», sagte Weiachs Gemeindepräsident Stefan Arnold. Dennoch wolle er betonen, dass er den Standortvorschlag voll und ganz unterstütze. «Offenbar ist in unserer Region die Geologie die beste.» Arnolds Wunsch wäre, dass sich viel mehr junge Leute für dieses Thema interessieren. «Die Arbeit muss jetzt gemacht werden, wenn wir noch etwas bewegen wollen.» Da es in der Schweiz kein vergleichbares Projekt gebe, sei die Besichtigung des Tiefenlagers in Finnland äusserst interessant gewesen. «Es ist sehr herausfordernd, als Exekutivbehörde dieses Projekt neben allen anderen Tätigkeiten im Interesse der Bevölkerung zu stemmen.»

Bautätigkeit macht Angst

Für Reto Grossmann, Co-Präsident Regionalkonferenz Nördlich Lägern, ist es ein grosses Anliegen, die Inputs der Bevölkerung zu verarbeiten, zu bewerten und diese Richtung Nagra und Bundesamt für Energie zu bringen. «Bis jetzt fand immer ein guter Austausch statt. Wir hören einander gegenseitig zu.» Die Ängste hätten weniger mit der Endlagerung an sich, sondern mehr mit der jahrelangen Bautätigkeit zu tun. «Wie könnten die Arbeitswelt und die Wirtschaft in der Region in Zukunft aussehen?»

Niemand von der Nagra hat gejubelt

Aus der Nagra-Perspektive äusserte sich CEO Matthias Braun. «Das Tiefenlager soll nicht nur sicher, sondern auch akzeptabel und gut sein.» Die Nagra sei dankbar für die Zusammenarbeit mit den Gemeinden. «Jede Diskussion macht das Projekt besser.» Auch in der Nagra gebe es Lernphasen. «Plötzlich wurde das Projekt konkret und lokal. Niemand hat gejubelt, als es hierherkam.» Trotzdem sei es ein einzigartiges und spannendes Projekt. Vor allem das Baustellenthema sei in den Vordergrund getreten. Braun macht sich Gedanken darüber, wie das Baugesuch aussehen werde. Bis es so weit ist, dürfte allerdings noch etliche Zeit vergehen. Der Baubeginn ist auf 2034 geplant, das Bauende auf 2080. Bis das ganze Tiefenlager von einer grünen Wiese bewachsen ist, werden wir das Jahr 2126 schreiben.

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