Tand, Tand!

Glattgedanken

| Christian Ulrich

«Tand, Tand ist das Gebilde von Menschenhand!» So abschätzig äussern sich Wind-Hexen über menschliches Schaffen im 1880 veröffentlichten Gedicht «Die Brück am Tay» vom deutschen Schriftsteller Theodor Fontane. Der Tay, eine fjordähnliche schmale Meeresbucht an der schottischen Ostküste, wurde 1877 nach sechsjähriger Bauzeit neu von einer gewaltigen Eisenbahnbrücke überspannt. Sie war wichtigster Teil der Bahnverbindung Dundee-Edinburgh und eine Vorreiterin für den weltweiten Brückenbau. Aber sie hielt nicht lange. Als am 28. Dezember 1879 bei stürmischen Verhältnissen ein Zug über die Brücke fuhr, stürzte sie ein. Alle Passagiere kamen in der Nordsee ums Leben.

 

In der Gedicht-Interpretation im Internet ist von Hexen die Rede. Es sind aber Winde oder Stürme gemeint. Sie berichten: «Ich komme vom Norden her.» «Und ich vom Süden.» «Und ich vom Meer.» Und sie beschliessen verschwörerisch: «Und die Brücke muss in den Grund hinein.» «Und der Zug, der in die Brücke tritt um die siebente Stund?» «Ei, der muss mit.» «Tand, Tand ist das Gebilde von Menschenhand!» - Fontane stand der Industrialisierung kritisch gegenüber und fühlte sich durch den Einsturz der Brücke bestätigt. Er sah seine Wind-Hexen als Symbole für Naturgewalten.

 

Und die Naturgewalten haben jetzt auch im Gotthard-Basistunnel zugeschlagen. Auf den elektronischen Info-Tafeln in Personenzügen wird grossspurig vom Weltrekord-Tunnel (bezüglich Länge) geschrieben und die aktuelle Fahrgeschwindigkeit (um die 190km/h) laufend angezeigt. Aber jetzt hat eine Technik-Hexe das Rad eines Güterzugs brechen lassen und die eine Tunnelspur bis Ende Jahr lahmgelegt. Was, wenn das ein Personenzug gewesen wäre? – Mahnen uns solche Vorkommnisse an mangelnden Respekt vor Natur und Umwelt? Wir sind nur Mitbewohner auf Mutter Erde. Sie würde sogar besser funktionieren ohne uns.

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