Einfaches Wohnen-Projekt trifft auf Gegenwind

Kontroverse an Gemeindeversammlung

| Yvonne Russi

Bei der jüngsten Gemeindeversammlung von gestern standen emotionale Debatten und kontroverse Diskussionen auf der Tagesordnung. Das Flüchtlingsunterkunftsprojekt „Einfaches Wohnen“ und ein neues Videoüberwachungsreglement spalteten die Meinungen. Während die Videoüberwachung Zustimmung fand, droht dem "Einfaches Wohnen"-Projekt nun ein juristischer Nachhall.

Flüchtlingsunterkunft: Das Projekt „Einfaches Wohnen“

Zwei Themen standen auf der Traktandenliste dieser ausserordentlichen Gemeindeversammlung, wobei das Projekt "Einfaches Wohnen" zuerst behandelt wurde. Dieses Bauprojekt wird am 22. Oktober der gesamten stimmberechtigten Bevölkerung von Glattfelden zur Abstimmung vorgelegt. An der gestrigen Versammlung ging es um eine Entschlussfassung einer Abstimmungsempfehlung zugunsten der Urnenabstimmung. Die Frage: Empfiehlt die Gemeindeversammlung den neuen, angepassten Baukredit von CHF 5'270'000 für die Flüchtlingsunterkunft den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern zur Annahme oder zur Ablehnung?

 

Nachdem das bereits bewilligte Projekt wegen einer drohenden Kostenüberschreitung zurückgezogen werden muss, stellte Gemeinderat und Vorsteher für Hochbau und Planung Christian Meier den neuen Baukredit vor. Er erklärte die Gründe für das erhöhte Kostenbudget (CHF 5'270'000 statt ursprünglich CHF 4'125'400).

 

Während der anschliessenden Diskussion wurden Bedenken geäussert, dass das Projekt nur für 47 Personen konzipiert ist, obwohl Glattfelden seit dem 1. Juni gesetzlich verpflichtet ist, 68 Flüchtlinge aufzunehmen. Auf die Frage, ob das Projekt erweitert werden könne, antwortete Meier, dass eine Erweiterung neben dem bestehenden Gelände möglich sei, da das angrenzende Land im Besitz der Gemeinde ist.

 

Eine weitere Diskussion entstand rund um die Idee, Container als Unterkunft zu nutzen, ähnlich wie es in anderen Gemeinden praktiziert wird. Ein aktualisiertes Angebot für eine solche Lösung zeigt jedoch, dass diese Variante mit 4.5 Millionen Franken (ohne Land-, Fundament- und Anschlusskosten) teurer als das "Einfaches Wohnen"-Projekt mit einem Werkpreis von 4 Millionen wäre.

 

Diese Argumentation stiess auf Widerstand, da an der Gemeindeversammlung vom 15. März 2022 eine Containerlösung für rund 2.2 Millionen präsentiert wurde. Warum die Kosten sich in einem Jahr verdoppelt hatten, wurde mit einer nun vergleichbaren Nutzungsdauer von rund 35 Jahren begründet.

 

Tommy Hafner schlug vor, das Projekt aufgrund zu vieler ungeklärten Fragen zurückzuweisen. Auf dieser Antrag wurde jedoch nicht eingegangen, da der Gemeinderat der Ansicht war, dass alle wesentlichen Fragen geklärt seien. Dabei verwies Gemeindepräsident Marco Dindo auf den entsprechenden Paragraphen des Gemeindegesetzes.

 

Am Ende sprachen sich 52 Anwesende gegen und 28 für eine positive Empfehlung des "Einfaches Wohnen"-Projekts bei der kommenden Urnenabstimmung aus.

Reglement über Videoüberwachung in Glattfelden

Das zweite Abstimmungsthema betraf ein Reglement zur Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen und Einrichtungen der Gemeinde. Heini Maag, Gemeinderat und Vorsteher für Gesellschaft, betonte die Dringlichkeit dieses Reglements da die Gemeinde immer wieder Beschwerden zu Littering, Graffiti und Vandalismus bekommt. Er erklärte, dass die Gemeinde ein Werkzeug benötigt, um diese Probleme zu bekämpfen. Es ist geplant, drei mobile Videokameras für insgesamt 12000 Franken anzuschaffen, um kritische Orte zu überwachen. Erste Überwachungsmassnahmen sind ab Januar 2024 beim Gottfried-Keller-Zentrum geplant. Die Gemeinde wird eine Liste aller überwachten Orte führen und sicherstellen, dass diese der Allgemeinheit zugänglich gemacht wird.

 

Während der Debatte wurde angemerkt, dass auf der Liste der Überwachungsstandorte die Mehrzweckhalle, einschliesslich der Garderobe des FC Glattfelden fehlt. Nach einem eingereichten Antrag von Werner Balmer mit anschliessender Abstimmung, wurde dieser Ort nach dem Reglement hinzugefügt.

 

Weiter wurde das Reglement gerügt, da gewisse Punkte widersprüchlich seien. Es wurde Antrag gestellt, das Reglement zurückzuweisen und eine überarbeitete Version vorzulegen. Dieser Antrag wurde abgelehnt.

 

In der finalen Abstimmung wurde das Videoüberwachungsreglement mit 63 zu 18 Stimmen angenommen. Dieses tritt am 1. Januar 2024 in Kraft.

Stimmrechtsrekurs beim Bezirksrat wird eingereicht

Bevor die Versammlung schloss, wurde dem Souverän die traktandierte Frage gestellt, ob eine Verletzung von Verfahrensvorschrift vorliegt. Auf diese Anfrage meldete sich Tommy Hafner und gab bekannt, dass er beim Bezirksrat einen Stimmrechtsrekurs einreichen wird, da sein Rückweisungsantrag (Flüchtlingsunterkunft: Einfaches Wohnen) wegen vielen unbeantworteten Fragen, nicht behandelt wurde. Auf Anfrage meinte er, dass die Vorlage im Grundsatz nicht abstimmungstauglich sei. Dies, da keine Kostengarantie über 5.27 Millionen Franken gemacht wurde. Des Weiteren verwies er auf die Unklarheit hinsichtlich einer möglichen Erweiterung des Projekts. Er argumentierte, dass das Projekt zwar eine Unterkunft für 47 Personen vorsehe, die Gemeinde aber verpflichtet sei, 68 Asylsuchende aufzunehmen. Diese Diskrepanz von 21 Personen betrachtet er als erhebliche Lücke in der Planung.

Die Gemeindeversammlung endete nach zwei Stunden. Die nächste Versammlung ist für den 5. Dezember 2023, um 19 Uhr im Gasthaus zum Löwen geplant, wobei das Budget 2024 im Mittelpunkt stehen wird.

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