Viele Geheimnisse verstecken sich hinter diesem Gewässer

Neuer kulturhistorischen Weg

| Ruth Hafner Dackerman

Die Lesegesellschaft Bülach hat das Projekt für einen kulturhistorischen Weg zwischen Bülach, Hochfelden und Glattfelden realisiert. Grund genug, um für diese Zeitung den Weg bewusst zu begehen.

Sonntagvormittag, herrliches Wetter. Voller Elan starte ich meine Wanderung bei der Sportanlage Hirslen. Ein kleiner grüner Wegweiser zeigt mir den Weg «Kraft des Wassers an der Glatt» an. Acht Stationen mit insgesamt 15 Themenfeldern werden es sein, welche Informationen dazu geben, wie die Menschen das Wasser der Glatt für ihre Zwecke genutzt haben und welche Auswirkungen die Glatt auf die Menschen und das Tal hatte. Nach wenigen Metern entdecke ich die erste Tafel mit dem Titel «Wasser treibt Maschinen an». Hier gibt es Hintergrundinformationen zur Spinnerei Jakobstal, in welcher zwischen 1863 und 1982 in grossem Stil Baumwolle zu Garn gesponnen wurde. Etliche Bilder ergänzen den Text, genauso wie ein kleines Quizspiel samt dazugehörendem QR-Code.

Ein Hafen in Bülach

Die Strecke führt der Glatt entlang bis zur Brücke nach Hochfelden. Immer der rechten Seite des Flusses entlang geht es weiter. Brombeerhecken und Brennesseln säumen den Weg. Bei der nächsten Tafel erfahre ich, dass man zu Zeiten, als lediglich Fuhrwerke Waren transportierten und die Eisenbahn noch in den Kinderschuhen steckte, an Wasserstrassen gedacht hatte, welche von grossen Transportschiffen hätten befahren werden können. So sollte ein Glattseitenkanal ein Handels- und Industrie-Schifffahrtskanal werden und der Hafen in Bülach ein wichtiger Umschlagsplatz für die Region. Ein Hafen in Bülach – wie schade, dass das nicht geklappt hat, geht mir durch den Sinn. Das Aufkommen von Lastwagen, Autobahnen und die Konkurrenz durch die Eisenbahn machten letztlich diese Projekte nicht mehr notwendig. Immer wieder sei es zudem zu Schäden durch Hochwasser gekommen. Das Wasser trat über die Ufer, zerstörte Brücken, Äcker, Wiesen und Strassen. Deshalb kam es zur Glattkorrektion in den Jahren 1883/84. Nach dem Jahrhunderthochwasser 1968 musste erneut gehandelt werden. Die Glatt bei Hochfelden wurde tiefergelegt und 150 Meter weiter nach Osten verlegt.

Nach einer weiteren Informationstafel zu den Themen «Das Gefälle des Wassers nutzen» und «Wasser für Pflanzen und Tiere» geht es links über die Brücke Richtung Naturschutzgebiet mit einem leichten Anstieg. Hier scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Ich geniesse die Ruhe, entdecke einen Naturteich mit Seerosen, riesige Maisfelder, Blumen, welche sich mitten im Kiesweg ihren Lebensraum erkämpft haben. Bienen schwirren um ein Bienenhaus, eine Spaziergängerin sitzt mit ihrem Hündchen in ein Buch vertieft auf einer Bank.

Sagenumwobene Tüfelsbrugg

Dass Wasser auch zerstören kann, erzählt die nächste Tafel. Hier wird die Geschichte rund um die sagenumwobene Herrenwiesbrücke, im Volksmund «Tüfelsbrugg» genannt, erzählt. Das Hochwasser im Jahr 1888 brachte einen Teil der Brücke zum Einsturz. Die berühmteste steinerne «Teufelsbrücke» in der Schöllenenschlucht fiel gleichentags ebenfalls dem Hochwasser zum Opfer.

 

Bei der Herrenwies geht es über die Brücke und wiederum rechts der Glatt entlang, bis man auf eine Grillstelle mit Sitzgelegenheit stösst. Ob hier wirklich dereinst eine alte Burg stand? Da sich bis heute keine Mauerreste finden liessen, geht man davon aus, dass dieser Platz den Kelten in kriegerischen Zeiten als strategisch günstiges Refugium diente. Im Volksmund der Bülacher hiess der Ort aber auch Mangoldsburg, die Glattfelder und Eglisauer nannten ihn Schlösslibuck. Vermutet wird, dass im Mittelalter möglicherweise die Edlen von Glattfelden ihren Stammsitz an diesem Ort hatten.

Aalblut mit Rotwein gegen Bauchschmerzen

Der Mystik nicht genug. Dass man neben Bachforellen, Barben und Hechten auch Aale in der Glatt antrifft, wusste ich. Dass diese in früheren Zeiten weit über die Landesgrenzen hinweg für ihre Qualität bekannt waren und lebendig in Fässern und Wagen hin zur Donau und dann auf Schiffen bis nach Wien transportiert und sogar auf der kaiserlichen Tafel serviert wurden, wusste ich nicht. Beim Gedanken, dass Aalblut im Mittelalter mit Rotwein warm getrunken gegen starke Bauchschmerzen helfe, bekomme ich fast ein wenig Gänsehaut.

Nur wenige Meter weiter geht es, bis man auf einen weiteren verwunschenen Ort stösst. Hier steht der «Graue Stein» von 1671 – ein stummer Zeuge vergangener Zeiten. Der Grenzstein wurde von den Bülachern errichtet und zeigt das alte Wappen Bülachs mit dem schräg geteilten Schild. An einer gemütlichen Grillstelle vorbei gelangt man nach insgesamt rund eineinhalb Stunden Wanderzeit zum Ende des kulturhistorischen Wegs in der Burenwiesen. Dank dem Kleinkraftwerk erhielt Bülach an Silvester 1891 erstmals elektrisches Licht. Noch einige Treppenstufen bis zum Bahnhof Glattfelden gilt es zu erklimmen, dann gelange ich mit unzähligen Eindrücken an den Endpunkt des Spaziergangs.

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