Tunesien 1973

Glattgedanken

| Christian Ulrich

Vor 50 Jahren bereiste ich Nordafrika im Auto. Vom damaligen Marokko erzählte ich an dieser Stelle am 30. März in aktuellem Zusammenhang. Nun macht Tunesien negativ auf sich aufmerksam: Schwere Wirtschaftskrise, Demokratie weicht dem Polizeistaat, Stimmung in der Bevölkerung auf dem Tiefpunkt, alle Jungen wollen weg nach Europa (Tagesgespräch vom 14. April auf Radio SRF).

 

1973 begann Tunesien die Bedeutung des Tourismus zu entdecken. - Wir fuhren ostwärts Richtung Tunis. Auf dem Acker neben der Strasse pflügte ein Bauer mit seinem Ochsengespann; ein Knabe war bei ihm. Das Gespann wendete soeben ganz nahe an unserer Strasse und im selben Augenblick krachte etwas gegen die Fahrertüre. Meine Frau bremste sofort und ich sprang aus dem Wagen. Ein Wurzelstrunk lag auf der Strasse, die Türe hatte eine handgrosse Beule und übers Feld rannte der Junge davon. Ich sofort hinterher, war aber durch meine Plastik-Flipflops handicapiert. Als ich das Dorf hinter den Feldern erreichte, war der Junge verschwunden.

 

Fragende Gestalten traten aus den Hütten und mir wurde es etwas «gschmuch». Aber da kam in einer Staubwolke ein Polizeijeep übers Feld gerast, hielt bei mir an und zwei Männer sprangen aus dem Wagen. Auf Französisch erklärten sie mir, sie hätten den Vorfall beobachtet. Es sei nicht das erste Mal, dass Jugendliche aus diesem Dorf Touristen belästigten, und das gehe natürlich auf gar keinen Fall. Ich solle in Tunis den Schaden beheben lassen und ihnen die Rechnung schicken; sie würden den Betrag beim Vater des Jungen eintreiben.

 

Auf dem Weg zum Auto zurück wurde ich vom Jeep überholt und – tatsächlich – da sass ein dritter Mann im Wagen. Unsere Genugtuung, dass die Tat nicht ungestraft bliebe, wich aber bald der Erkenntnis, dass die Reparatur den armen Bauer wahrscheinlich ein ganzes Wocheneinkommen koste. - Die Beule blieb.

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