«Glattfelden ist ein guter Ort für Kinder und Jugendliche"

Schule Glattfelden

| Margrith Wohlgemuth

Anlässlich ihrer Pensionierung stellte sich Monica Müller, Schulsozialarbeiterin der Schule Glattfelden, dem Interview. Das Gespräch führte Margrith Wohlgemuth am 12.1.2023.

Liebe Monica, seit wann arbeitest du schon in unserer Gemeinde als Schulsozialarbeiterin?

Seit dem August 2005, also gut 17 Jahre. Anfänglich stieg ich mit 50% ein. Die Schulsozialarbeit musste hier erst aufgebaut werden. Heute umfasst sie 130 Stellenprozente. Dazumal zählte die Gemeinde ca. 3000 Einwohnerinnen und Einwohner, heute über 5000. Die Spinnerei Letten war noch in Betrieb und die Arbeit bestand vor allem in der Unterstützung und Integration von Migrationskindern aus Arbeiterfamilien. Im Laufe der Jahre war ich mit Kindern und Jugendlichen quer durch alle Schichten beschäftigt.

Wie sah dein Berufsweg vorher aus?

Ich arbeitete mehrere Jahre in einem Heim für den Justizvollzug straffälliger Jugendlicher, danach kurze Zeit in einem Frauenhaus. Die Arbeit war zwar sehr interessant, aber oft betreute ich Menschen, bei denen schon zu viel schiefgelaufen war. Mich reizte an Glattfelden, dass ich mit jungen Menschen präventiv einsteigen konnte. Darüber hinaus bot sich mir auch die Gelegenheit die Schulsozialarbeit neu aufzubauen.

Kannst du kurz deine Aufgaben beschreiben?

Aus dem Justizvollzug wusste ich, wie wichtig es für Jugendliche ist, positiv und gestärkt aus der Schule herauszukommen. Glattfelden verzeichnete damals einige Schulabbrüche. Ein Konzept zu erarbeiten, um dies zu verhindern, stand also im Vordergrund. Heute umfasst die Schulsozialarbeit Prävention (Handymissbrauch, Mobbing, Essstörungen, Game-Sucht, Internetsucht, Drogenprävention, Schuldenfalle, gesunde Ernährung etc.), Berufswahl und Lehrstellensuche, persönliche Probleme (Depressionen, Aggression, Probleme zu Hause, Übergriffe, Straffälligkeit, Pubertät, siehe auch Prävention etc.) Die Jungen fallen bei persönlichen Problemen oft durch Aggression und disziplinarische Auffälligkeiten auf, Mädchen richten Ihre Aggression eher nach innen, was sich durch Ritzen (sich selber verletzen), Essstörungen, Rückzug etc. zeigt.

Jugendliche, die sich für einen Beruf entschieden haben und während der Bewerbungszeit Absagen bekommen, zweifeln dann oft an sich. Das muss aufgefangen werden, damit wieder Mut geschöpft werden kann.

Hat sich deine Arbeit in den letzten Jahren verändert?

Einiges ist dazugekommen, vor allem aber wirkt es sich positiv aus, dass die Schulsozialarbeit in der Gemeinde, bei den Kindern und Eltern selbstverständlicher geworden ist. Sie gehört zur Schule und es ist kein Stigma mehr, wenn deren Hilfe genutzt wird. Einen positiven Effekt hatte auch die Digitalisierung der Schule in Folge von Corona. Dank der Plattform «Teams» können Schülerinnen und Schüler problemlos und schnell mit der Schulsozialarbeiterin Kontakt aufnehmen.

In der Presse liest man häufig von Besorgnis erregenden Tendenzen, dass junge Menschen vermehrt mit psychischen Problemen kämpfen. Stellst du diese Entwicklung auch in Glattfelden fest?

Definitiv, Corona hat diese Entwicklung noch verstärkt.

Wie kann man psychische Probleme von Kindern früh erkennen?

Schulabsentismus (entschuldigtes und unentschuldigtes, häufiges Fehlen in der Schule) muss früh angegangen werden. Undefinierte Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Erschöpfung können Anzeichen für Störungen sein. Da müssen auch die Eltern sensibilisiert werden und sehr aufmerksam sein.

Was wird dir vor allem in Erinnerung bleiben?

Ich blicke auf viele besondere Begegnungen mit Schülerinnen und Schülern zurück. Deren Herzlichkeit und Offenheit, die oft auch erheiternden Momente und das Unkonventionelle, Kritische, das Jugendliche manchmal an sich haben, war bereichernd, lehrreich und spannend. Ich danke ihnen für ihre Offenheit und ihr Vertrauen.

Wie konntest du dich von den sicher oft belastenden Problemen abgrenzen?

Der Arbeitsweg von meinem Wohnort Schaffhausen nach Glattfelden war für mich sehr heilsam. Die Fahrzeit als Pufferzone!

Was wünschst du der Schule Glattfelden für die Zukunft?

Eine erfahrene Schulsozialarbeiterin ist gefunden, darüber bin ich froh. Die Schulsozialarbeit wird sich weiterentwickeln, auf der Primarschulstufe mehr mit Schwerpunkt Prävention, auf der Oberstufe in Richtung mehr Beratung. Die Übertritte Elternhaus-Kiga, Kiga-Schule, Primar-Oberstufe und Oberstufe-Berufslehre sind dabei die besonders sensiblen Lebensabschnitte.

Worauf freust du dich nun?

Endlich mehr Zeit um Freundschaften zu pflegen, Ausstellungen, die mich interessieren, besuchen, Ferien ausserhalb der Schulferien machen, mich mit meiner neuen Fotokamera beschäftigen, im Rhein baden, wenn ich Lust dazu habe!

..... und was du zum Schluss sonst noch sagen möchtest?

Glattfelden ist ein guter Ort für Kinder und Jugendliche. Es gibt einige Institutionen hier, die sich sehr um das Wohlergehen der Kinder bemühen. Unkonventionell unterstützt wurde meine Arbeit oft von der Ref. Kirche, der IG Kultur, der Jugendarbeit, von Vereinen und vor allem auch von vielen Initiativen einzelner Personen mit einem Herz für Menschen, denen nicht alles so leicht fällt.

Und noch ein letzter professioneller Rat von dir an die Schule?

Geht achtsam mit euren Mitarbeitern um: Wertschätzung zeigen, nicht nur denken! Das gilt nicht nur für die Schule, das passt für alle Bereiche des menschlichen Zusammenlebens.

 

Liebe Monica, im Namen aller von dir begleiteten Kinder, im Namen der Schule und der Gemeinde Glattfelden bedanke ich mich herzlich für deinen grossen Einsatz, für deinen nicht nachlassenden kritischen Mahnfinger, für deinen Humor neben all dem Belastenden, vor allem aber für deinen unerschöpflichen Willen, Lösungen zu finden und zu realisieren. Wir wüschen dir alles Gute und viele kulturelle, touristische und fotografische Höhenflüge und auch ausreichend erfrischende Eintaucher in den Rhein in deiner verdienten Pensionszeit.

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