Eingeschriebene Post für Mieter von Bootsliegeplätzen

Kurz vor Weihnachten

| Ruth Hafner Dackerman

Jeweils um die 25 000 Franken sollen die 30 Mieter der Bootsliegeplätze in Rheinsfelden für die Vorfinanzierung zur Erschaffung eines neuen Bootsstegs aufbringen. Dieser kostet rund 800 000 Franken.

Die 30 Mieter der Bootsliegeplätze in Rheinsfelden oberhalb des Kraftwerks Eglisau-Glattfelden AG bekommen kurz vor Weihnachten eingeschriebene Post von der Gemeinde. Darin wird mitgeteilt, dass der Mietsvertrag für den Bootsliegeplatz gemäss Reglement über das Stationieren von Schiffen und über die Benützung der Stationierungsanlage der Gemeinde Glattfelden per 31. März 2023 gekündet wird. Als Grund wird angegeben, dass sich die Anlegestelle Rheinsfelden im Bereich der Sandablagerungen des Rheines befinde und der Gemeinde regelmässig hohe Kosten durch notwendige Ausbaggerungen verursache. Auch der Bootssteg selber bedürfe einer grösseren Sanierung. Damit die Gemeinde weiterhin die Möglichkeit für eine Bootsanlegestelle anbieten könne, müsse der bestehende Bootssteg rückgebaut und durch einen neuen Bootshafen im Strömungsbereich oberhalb des Kraftwerks ersetzt werden.

Angespannte finanzielle Lage der Gemeinde

Alle bisherigen Bootsplatzmieter haben die Möglichkeit, beim neuen Bootsplatz wieder einen Anlegeplatz zu mieten. Allerdings müssen die Neubaukosten vollumfänglich über eine Vorausmiete durch die Bootsplatzeigner abgegolten werden. Ohne den erforderlichen Antrag erlischt das Anrecht auf einen Bootsanliegeplatz beim neuen Bootshafen, und ein Bewerber auf der Warteliste erhält die Möglichkeit, einen Liegeplatz zu den vorgegebenen Mietbedingungen zu übernehmen. Die angespannte finanzielle Lage der Gemeinde Glattfelden lasse die Finanzierung eines neuen Bootssteges nicht zu, weil der Nutzen nur einem sehr kleinen exklusiven Einwohnerkreis zugutekomme. Aus diesem Grunde sollen die möglichen zukünftigen Nutzer eines Bootssteges die Baukosten von rund 800 000 Franken vorfinanzieren und sich damit für die nächsten 15 Jahre einen Bootsanlegeplatz sichern, Bei einer vorzeitigen Kündigung würde der Betrag pro Rata abgerechnet, die nicht genutzte Zeit rückvergütet und dem neuen Mieter auferlegt.

Eine Interessengemeinschaft soll gegründet werden

Diese Gegebenheiten wollten etliche der Bootsliegeplatzmieter nicht einfach so hinnehmen. So traf man sich auf Initiative des Zweidlers Walter Baltisser am Donnerstagnachmittag vor Ort, um Fragen zu stellen und zu klären. Vonseiten Gemeinde war René Gasser, Vorsteher Infrastruktur, anwesend, um den 14 Anwesenden Red und Antwort zu stehen. Initiant Jürg Willi möchte eine Interessengemeinschaft gründen, gezielt Fragen an den Gemeinderat stellen und schriftliche Antworten bekommen. «Es macht keinen Sinn, dass jeder die Faust im Sack macht.» Gemeinderat Gasser entschuldigte sich für den Brief kurz vor Weihnachten und erklärte, wie es dazu kam. «Es wurden durch die Reverbauungen an der Töss massiv mehr Verlandungen festgestellt. Auch Giftstoffe wie Arsen wurden gefunden. Das Material muss an Land getrocknet und als Sondermüll entsorgt werden, was zehnmal teurer ist als die bisherigen einfachen Ausbaggerungen.» Es seien mehrere Standortvarianten für einen neuen Bootssteg geprüft und ans Awel eingereicht worden. Bootsstege direkt am Ufer seien nicht mehr bewilligungsfähig. Im November sei dann die Meldung vom Awel eingegangen, dass das nun vorliegende Projekt bewilligt werden könnte. «Wir mussten vonseiten Gemeinde diese prophylaktische Kündigung per Ende Jahr mit drei Monaten Kündigungsfrist aussprechen, um handlungsfähig zu sein und nicht mit Rekursen zugedeckt zu werden», erklärte Gasser. «Je länger man zuwartet, desto strikter werden die Vorschriften. Es wäre schade, diese Bootsplätze zu verlieren.»

Auf gutem Weg, einen Konsens zu finden

Etliche der Anwesenden waren gut dokumentiert. Dreimal sei in den Jahren 2000, 2011 und 2016 mit Kosten von insgesamt 150 000 Franken ausgebaggert worden. Dem gegenüber würden Einnahmen aus den Mieterträgen von rund 600 000 Franken gegenüberstehen. Ein Bootsplatz kostet für Einheimische 856 Franken pro Jahr, für Auswärtige 942 Franken. «Warum kann das restliche erwirtschaftete Geld nicht für den Bau des neuen Bootshafens verwendet werden?», wollte ein Mieter wissen. Investitionen über 300 000 Franken müssen zwingend an der Gemeindeversammlung abgesegnet werden. «Der politische Wind in der Gemeinde würde bei einem solchen Projekt wohl nicht auf Zustimmung stossen», äusserte sich Gasser. Zudem betonte er, dass die Zahlen nur Schätzungen seien. «Wir sind auf gutem Wege, gemeinsam einen Konsens und eine Lösung zu finden.»

 

Die neu zu gründende IG stellt sich bereits Fragen zur Finanzierung, zu Gemeinderatsbeschlüssen und zu offiziellen Verordnungen, ob die Bootsplätze wirklich wegmüssen. Gewünscht wird mehr Transparenz vonseiten Gemeinde. Betroffen ist auch die Kursschifffahrt, allerdings nur am Rand. Die Kursschiffe dürfen den bestehenden Anlegesteg benutzen, müssen sich allerdings nicht an den Kosten für die neuen Bootsstege beteiligen.

Auf vieles verzichten für ein Boot auf dem Rhein

Der 83-jährige Ernst Willi aus Windlach besitzt seinen Bootsplatz seit 65 Jahren. «Es wäre doch nicht nötig gewesen, dass uns gekündigt wird. Man hätte auch ohne diese Formalität ausbauen können.» Ihm hätten die Informationen und die offene Kommunikation gefehlt. «Für mich ist klar, dass ich die Kosten mit meinem Sohn teile. Wir sind sehr oft auf dem Rhein, auch mit unserem Enkelsohn.» Der Glattfelder Daniel Weiss besitzt seit vier Jahren einen Bootsplatz, zuvor war er 15 Jahre lang auf der Warteliste. «Mich hat vor allem der Wortlaut, dass wir zu einem ‘sehr kleinen exklusiven Einwohnerkreis’ gehören, gestört. Meine Familie ist nicht reich. Wir investieren viel und verzichten auf vieles, um mit unserem Boot auf dem Rhein unterwegs zu sein.» Noch habe er die Hoffnung, dass der Preis hinunterkomme. «Ich muss sparen, um mir das ansonsten leisten zu können.» Trotzdem rechne er es Gemeinderat René Gasser hoch an, dass er vor Ort war und sich den Fragen stellte.

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