Kartoffelnews aus Madagaskar

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| Ruth Rossier

Endlich war es soweit. Ich konnte vom 3. – 18. Sept 2022 wieder zum Kartoffelprojekt nach Madagaskar reisen, begleitet von zwei pensionierten Kartoffelspezialisten, Henri Gilliand (vormals Agroscope) und Christian Lutz (vormals Landi). Ohne ihre wertvolle fachliche Unterstützung wäre diese Mission sicher nicht so erfolgreich verlaufen. Ich hoffe, ich finde auch für die nächste Mission im September 2023 wieder eine so kompetente und sympathische Begleitung. Ein grosses Dankeschön euch beiden. Wie immer reisten wir alle auf eigene Kosten, da unser Engagement ehrenamtlich ist.

 

Diesmal fallen die Kartoffelnews etwas länger aus als gewohnt, denn es gibt viel zu berichten. Vor der Abreise fragte ich mich: Wie geht es wohl den Kartoffelproduzentinnen? Was macht das Projekt? Hoffentlich erleben wir keine bösen Überraschungen.

 

Die Reise zum Projekt nach Fianarantsoa dauert drei Tage. Erst der Flug von Zürich resp. Genf mit Air France nach Paris und weiter nach Antananarivo, der Hauptstadt von Madagaskar. Zum Glück sind die Covid-Restriktionen kurz vor unserer Abreise aufgehoben worden, einschliesslich der Quarantäne. Das Visum kriegen wir bei Ankunft problemlos am Flughafen. Dann folgen zwei Tage mit Auto und Chauffeur auf der RN7 auf der Hochebene Richtung Süden. Die Schlaglöcher auf der Nationalstrasse sind immer noch da. Es werden zwei lange Tage, erst wegen einer Autopanne, dann wegen Staus aufgrund des Weltjugendtags. Wir kommen jeweils erst beim Einnachten in unsere Unterkunft.

 

Es ist Ende Trockenzeit in Madagaskar, nachts ist es noch kühl, am Morgen hat es manchmal Dunst, doch tagsüber ist es bereits sommerlich warm. Die Regenzeit beginnt zwischen Oktober und Dezember. Dann wird Nassreis angebaut. Dann müssen die Felder der anderen Kulturen wie die Kartoffeln geernet sein, um Platz für den Reis zu machen.

 

Während der nächsten zwei Wochen sieht unser Tagesablauf folgendermassen aus. Wir besuchen die Projektdörfer mit meinem madagassischen Stellvertreter und Berater, Mamy, sowie zwei Leuten von unserer Partnerorganisation VFTM (Groupement pour le développement des paysans en Haute Matsiatra), dem Agrartechniker Justin und dem Präsidenten Michel in den Projektdörfern. Punktuell begleiten uns auch Abel und Haja von Afdi (agriculteurs français de développement international) sowie der einheimische Regisseur Danys de Brazza und sein Kameramann. Es wird nämlich ein Dokumentarfilm gedreht, um die Leute in Madagaskar, aber auch in der Schweiz über das Kartoffelprojekt zu informieren.

 

Das Projektteam inspiziert die Felder der Produzentinnen und die neu installierten Kompostieranlagen (Flüssigkompost) in sechs von sieben Orten. Die Anfahrt dauert jeweils bis zu 2 Stunden, oft auf Naturstrassen. Ein Dorf können wir leider nicht besuchen, dort hatte ein Zyklon die Brücke und damit den Zugang zum Dorf zerstört. Insgesamt sind wir bei der Flurbegehung positiv überrascht. Die Ernte 2022 ist gut, es sind nur wenige Krankheiten auszumachen.

 

Es konnten dieses Jahr bereits über 4 Tonnen Saatkartoffeln (F4) geerntet werden. Diese sind für die lokale Speisekartoffelproduktion bestimmt. Es sind also grundsätzlich genügend Pflanzkartoffeln da, das Problem ist aber dessen Lagerung. Das Lager in Fianarantsoa ist viel zu klein, um die gesamte Ernte fachgerecht zu lagern. Der VFTM ist mit der Verwaltung (Bestellwesen, Lieferung, Bezahlung) nicht so versiert. Aus diesem Grund muss jetzt eine Lagermöglichkeit in den Dörfern gesucht werden. Das Hin und Her der Kartoffeln verursacht nicht nur zusätzliche Transportkosten für die Kartoffelproduzentinnen, es beschädigt während dem Transport auf den Naturstrassen auch vorgekeimte Knollen. Die Kartoffeln werden übrigens auf dem Kopf (Frauen 30kg, Männer 50kg) zur Strasse getragen und von dort per „Busch-Taxi“ zum VFTM-Lager in Fianarantsoa transportiert, und von dort wieder verkauft. Das ist nicht effizient. Wir schlagen dem VFTM deshalb vor, nur noch die kostbaren Pflanzkartoffeln F1/F2 in Fianarantsoa zu lagern, und die F3/F4 für den Weiterverkauf als Speisekartoffeln im jeweiligen Ort zu lagern und nur die Überschüsse an den VFTM abzuliefern. In zwei Dörfern gibt es bereits ein solches Zwischenlager, das ASF-CH 2016 mit privaten Spenden finanzierte. Es braucht aber dringend weitere Lagermöglichkeiten vor Ort.

 

Es folgt ein gemeinsames Mittagessen mit den Produzentinnen mit traditionellem Gericht mit Reis und Kartoffeln als Gemüsebeilage und anschliessend eine Diskussion mit den Kartoffelproduzentinnen auf dem Dorfplatz. Es geht darum, die positiven und negativen Auswirkungen des Projekts zu erfahren. Die Frauen sind mit der der landwirtschaftlichen Ausbildung, dem Arbeitsmaterial, den Kochkursen und ADES-Kochern sehr zufrieden, nicht jedoch mit der Versorgung von Saatkartoffeln durch den VFTM. Die Ausbildung bei CEFFEL (Consei l-Expérimentation - Formation en Fruits et Légumes) in Antsirabe bewirken jedoch nicht nur Fortschritte im Kartoffelanbau. Die Produzentinnen entdecken dort auch neue Kulturen und Techniken und lernen etwas zu Biolandwirtschaft (Flüssigkompost). Daheim setzen sie dann ihr neues Wissen um und tragen so zur Dorfentwicklung bei. Kartoffeln ernähren nicht nur Familien, sondern mit dem erwirtschaften Geld können Kinder auch in die Schule oder es werden Häuser Instand gesetzt oder neu gebaut.

 

Jeder unserer Besuche endet mit der Preisverleihung für die drei besten Produzentinnen eines Ortes (Schubkarre, Handwaage oder Kochtopf) und zahlreichen gespendeten Trostpreisen. Während der Mission absolvierten acht neue junge Frauen die Aufnahmeprüfung für die zweijährige landwirtschaftliche Ausbildung auf dem Schulbauernhof „Bel-Avenir“ in Fianarantsoa, die Resultate stehen jedoch noch aus. Dies ist ebenfalls eine einmalige Gelegenheit, Mädchen den Rucksack mit Wissen zu füllen, bevor sie eine Familie gründen.

 

Ein Agrartechniker von VFTM berät und betreut die Frauen des Kartoffelprojekts vor Ort. Er überwacht und wiegt die Ernten und informiert uns monatlich über den Stand der Arbeiten. Mit steigender Anzahl Dörfer und Produzentinnen kommt er aber an die Grenze seiner Kapazität als Techniker und Koordinator. Falls er krank wird oder ausfällt, wären die Produzentinnen auf sich allein gestellt. Es braucht also Unterstützung, besonders für die landwirtschaftliche Beratung auf dem Feld. Die Anstellung einer weiteren Person hat natürlich auch finanzielle Konsequenzen für den VFTM. Mit dem von uns eröffneten Umlauffonds kann diese Beratung (noch) nicht bezahlt werden, weshalb ASF-CH die Kosten vorläufig übernehmen muss.

 

Insgesamt können wir mit dem Verlauf des Kartoffelprojekts und den Kartoffelproduzentinnen zufrieden sein. Die Frauen haben grosse Fortschritte in der Anbautechnik gemacht. Der Handel mit Pflanzkartoffeln stellt sie jedoch nicht zufrieden. Unsere Partnerorganisation VFTM hat jedoch zugesagt, sich um die Logistik und den Umlauffonds für die Kartoffelwertschöpfungskette zu kümmern, damit die Nachhaltigkeit des Kartoffelprojekts von ASF-CH verbessert wird.

 

Aus diesem Grund können wir einer dritten dreijährigen Phase für das Kartoffelprojekt zustimmen (2023-2025), in der ich wiederum die Projektleitung übernehme, solange es meine Gesundheit zulässt. Ich bin jedoch weiterhin auf Ihre/Eure finanzielle Unterstützung angewiesen, allein kann ich das Kartoffelprojekt mit einem jährlichen Budget von CHF 15‘000 bis 20‘000 nicht stemmen.

 

Vielen Dank und beste Grüsse

 

Ruth Rossier, Projektleiterin ASF-CH

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