Massiver Preisanstieg auch in Glattfelden

Strompreise 2023

| Yvonne Russi

Die Preiserhöhungen für Strom machen auch vor Glattfelden nicht halt. Für das Jahr 2023 verdoppelt sich für Stromkunden der Licht- und Kraftwerke Glattfelden (LKW) der Preis pro kWh. Auch in Zweidlen, Rheinsfelden und Schachen wird man nächstes Jahr mehr bezahlen.

Die Strompreise für das nächste Jahr lassen aufhorchen. Während Schachen, Rheinsfelden und Zweidlen, welche den Strom vom EKZ (Elektrizitätswerke des Kantons Zürich) erhalten, einen einigermassen moderaten Preisaufschlag erwarten, sind die Haushalte in Glattfelden von der angekündigten Preiserhöhung von 98% massiv betroffen.

 

Doch nicht nur der prozentuale Anstieg wirft Fragen auf, sondern auch der Preis, welcher Herr und Frau Glattfelder nächstes Jahr für eine Kilowattstunde zahlen müssen. Dieser Preis liegt bei 39.61 Rappen und ist der höchste im Zürcher Unterland.

 

Matthias Gut, Betriebsleiter des LKW, stand dem Glattfelder App «Red und Antwort».

Warum fallen die Erhöhungen so unterschiedlich aus?

Strom wird an der Börse gehandelt. Grundsätzlich können Marktteilnehmer, welche so Strom einkaufen, in drei Gruppen unterteilt werden:

 

Gruppe 1 - Versorger mit eigenen Kraftwerken:

Stromversorger, welche eigene Elektrizitätswerke besitzen, müssen nicht ihren ganzen Bedarf einkaufen und sind so weniger den Preisschwankungen des Marktes den Marktschwankungen ausgesetzt.

 

Gruppe 2 - die Spekulanten:

Diese versuchen, den Strom zum bestmöglichen Zeitpunkt, wenn der Preis tief ist, einzukaufen.

 

Gruppe 3 - die strukturierten Einkäufer:

Diese Marktteilnehmer kaufen strukturiert ein. Sie beschaffen über das Jahr hinweg zu vordefinierten Zeiten den Strombedarf in Tranchen - ungeachtet der Preise.

 

Unabhängig davon, mit welcher Strategie eingekauft wurde, müssen die Stromkosten der Eigenproduktion und des Stromeinkaufes auf die Bezüger, die Stromkunden, umgelegt werden.

 

Die meisten Stromversorger kaufen strukturiert ein. Und die Preisunterschiede zeigen somit nur auf, wer hat wann welche Mengen eingekauft.

Wie kauft das LKW den Glattfelder Strombedarf ein?

Eigene Kraftwerke besitzt das LKW seit der Glattabsenkung in den 70er-Jahren nicht mehr. Auch wird nicht spekuliert, da man mit Kundengeldern nicht «spielen» will. Das LKW kauft daher strukturiert ein und beschafft die Strommengen über das Jahr verteilt ein in neun Tranchen.

Was führte zur Preissteigerung von 98%?

Der Markt ist, speziell im August, dermassen aus dem Ruder gelaufen. Die Preise sind «senkrecht» in die Höhe geschossen und das LKW musste die letzte Tranche, rund 15% des Jahresbedarfs 2023, in dieser Zeit beschaffen. Letztlich führte dieser letzte Einkauf zu einem Preis von 39.61 Rappen.

Trotzt gleicher Einkaufsstrategie gibt es Preisunterschiede. So fiel in Weiach die Beschaffung der Restmenge kleiner aus, da im 2023 dort eine 400KW Solaranlage ans Netz geht. Dies wirkt sich positiv auf den Strompreis fürs nächste Jahr aus. In Glattfelden war die Situation unglücklicherweise gerade umgekehrt. Zahlreiche Wärmepumpen-Projekte lassen den Strombedarf steigen, was zur Beschaffung einer grösseren Restmenge zu Höchstpreisen im August führte.

Kauft das LKW den Glattfelder Strombedarf direkt an der Börse ein?

Nein, dafür ist die Genossenschaft viel zu klein. Der Bedarf beträgt lediglich 15 Gigawattstunden. Das ist im Energiemarkt Europa nichts. Nicht einmal das EKZ, welches einen Bedarf von 2 Terawattstunden hat, kauft den Strom direkt ein. Das LKW kauft bei den Industriellen Betrieben Kloten (IBK) ein. Und diese wiederum decken ihren Bedarf bei dem Energiedienstleister Ompex ein.

Verdient nun das LKW dank diesen hohen Preisen mehr?

Nein, das LKW darf bei der Energie nur seine Aufwendungen decken.

Kann ein Glattfelder-Haushalt den Energie-Lieferanten wechseln?

Nein, das sieht die aktuelle Gesetzeslage nicht vor. Wir sind hier in einem teilliberalisierten Markt. Die Grundversorgung lässt keinen Wechsel zu. Lediglich Grossverbraucher ab 100 MWh Verbrauch dürfen ihren Stromanbieter frei wählen.

Warum sind wir in der Schweiz eigentlich solchen Preisschwankungen ausgesetzt?

Auf den ersten Blick produziert die Schweiz ihren eigenen Strom. 60% wird mit Wasserkraft erzeugt, rund 35% nuklear. Der Rest fällt auf erneuerbare Energien. Da wir in der Stromversorgung in der Schweiz aber nicht isoliert dastehen, sondern Strom auch importieren und exportieren, wird der Schweizer Strom an der europäischen Strombörse EPEX gehandelt. Und damit sind wir den Marktgeschehnissen voll ausgesetzt.

«Herr Gut, was sagen Sie einer Glattfelder Familie, welche finanziell nicht auf Rosen gebettet ist?»

«Auch ich bin über die Situation nicht erfreut und es wird massive Probleme geben. Am Preis können wir nichts machen, da wir am Strom praktisch nichts verdienen und Quersubventionierungen nicht erlaubt sind. Wir können aber prüfen, ob in solchen Fällen eine Umstellung auf Monatsrechnung was bewirken könnte. Doch letztendlich hilft nur Strom sparen.»

Für Solaranlagen-Betreiber gibt es einen kleinen positiven Nebeneffekt. So steigen die Einspeisevergütungen massiv von 7.01 an 24.95 Rappen/kWh an. Doch wer jetzt meint, noch kurzfristig eine Solaranlage beschaffen zu können, dürfte enttäuscht werden. Viele Installateure sind bereits weit ins 2023 ausgebucht.

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