Mit Bruno Rossi geht ein heiteres Urgestein

Nachruf

| Koni Ulrich

Drei Wochen später wäre unser Bruno 93 geworden. Jetzt ist seine Zeit vorher abgelaufen, und er durfte im Altersheim im Beisein seiner Familie und Freunde friedlich einschlafen. Manche Glattfelder, die ihn kannten, konnten die Nachricht zunächst kaum glauben, so viel hat der passionierte Sänger zeit seines reichen Lebens im Dorf angerissen und begleitet. Stets beseelt von einem durchwegs positiven Geist und gesegnet mit Energie.

Wie heisst es doch bei Gottfried Keller? Die zurückbleibende Familie hat mit dem Sinnspruch auf der Todesanzeige ins Schwarze getroffen: «Sooft die Sonne aufersteht, erneuert sich mein Hoffen und bleibt, bis sie untergeht, wie eine Blume offen.» Es bleibt wohl für immer ein Rätsel, wie Bruno der Welt und seiner Umgebung fast nur Gutes abringen konnte, während weiss Gott in der Nähe und noch mehr in der Ferne vieles nicht zum besten stand und steht. Vielleicht hängt das mit seiner eher kargen Jugendzeit zusammen, wo Bruno zum Beispiel bereits als Primarschüler von der Wohnkolonie Schlossacher in Rheinsfelden den Schulweg zu Fuss zum erst 1949 aufgegebenen Schulhaus in Aarüti zu bewältigen hatte. Seine frühe Jugendzeit war geprägt vom Weltkrieg und dem Bau des nahen Kraftwerks, in dessen Nähe gar noch Bomben fielen. Der junge Bruno hielt von Anfang an sehr viel von der Musik, nahm schon mit 11 Jahren Akkordeonstunden und er liebte auch den Sport. Sein Talent reichte dabei von der Leichtathletik übers Turnen und Skifahren bis zum Pistolenschiessen im späteren Alter. Wo immer er aktiv war, übernahm er auch Verantwortung in der Führungsabteilung.

Jodelchörli, Dorfladen und das Museum

Der gelernte Werkzeugmacher und spätere Handelsreisende begeisterte sich in der früheren Bülacher NCR fürs hauseigene Jodelchörli, wo Bruno viele Jahre lang mitwirkte und organisierte. Dass die Sänger in ganz Europa auf Tour waren und sich bei gut 600 Auftritten feiern liessen, lag ganz im Geist des Glattfelders. Ein halbes Dutzend weitere Chöre sollten jenem Beginn folgen, und es wundert niemanden, dass das «Glattfelder Lied» mit einem Text von Lisel Lee gemäss Brunos Idee neu aufgegleist wurde. Nachdem Bruno seine Frau Margrit oder Gret kennengelernt hatte, eröffneten die beiden im Jahre 1959 einen eigenen Laden an der Dorfstrasse mit Bringservice, wo sie auch Lehrtöchter ausbildeten. Bruno übernahm in der Feuerwehr Verantwortung und war später als Finanzkontrolleur beim LKW Glattfelden über viele Jahre gefragt. Wenn er in der Schulpflege mit Rat und Tat beiseite stand, wo gebaut oder renoviert wurde, konnte er das auch gleich umsetzen bei seinen eigenen Liegenschaften. Im Gottfried Keller-Zentrum führte er als Pensionierter Hunderte von privaten Gruppen oder Schulklassen durch das Museum. Sicher ist die Aufzählung unvollständig, aber ebenso sicher ist, dass Bruno jetzt seine Ruhe gefunden hat. Vor kurzem durften er und seine Gret noch den 68. Hochzeitstag begehen, zusammen mit Tochter Arlette und den Söhnen Dario und Danilo mit ihren Familien. Wie Kati Rechsteiner in der Kirche berichtete, habe Bruno mit ihr in den letzten Tagen in aller Ruhe den Gottesdienst für seine Abdankung vorbesprochen. Er, der Umtriebige, habe gemerkt, dass alles einmal ein Ende hat.

Keine Chorprobe verpassen

Unter meinen zahlreichen persönlichen Erinnerungen seien drei Episoden erwähnt: Einmal hatte ich als Junglehrer für zwei Wochen ein Zimmer bei Grets Mutter Ida Bliggensdorfer in der erst kürzlich von der Familie verkauften Geduld. Eines Tages fehlten mir drei Hunderternoten aus meinem Zimmer. Der eingeschaltete Bruno fackelte nicht lange und holte den Polizisten. Der fand schnell heraus, dass sich ein weiterer Untermieter ziemlich dreist bereichert hatte. Später, als ich im Militär ins Büro umgeteilt wurde und deshalb vom Sturmgewehr auf die Pistole hätte umgeschult werden sollen, war es Bruno, der sich verpflichtet fühlte, dem nicht mehr ganz jungen Schützen im Schiesstand Buechhalde den Umgang mit der neuen Waffe beizubringen. Er tat es mit viel Geduld und Hartnäckigkeit. Dass der Erfolg in Form von Schwarztreffern trotz allem ausblieb, war allein meine Schuld. Zuletzt habe ich Bruno bei Proben im Männerchor im Singsaal des Schulhauses Hof erlebt. Er fühlte sich schwach, erklärte schon zu Beginn, dass er nicht stehen und auch nicht mitsingen könne. So sass er denn auf seinem Stuhl und lauschte den Klängen seiner «alten Kameraden». Typisch Bruno: er wollte dabei sein! Vielleicht hört er ja die Lieder immer noch?

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