„Big Brother“

Glattgedanken

| Christian Ulrich

“Big Brother is watching you.” («Der grosse Bruder beobachtet dich.») Dieses geflügelte Wort liegt einem immer dann auf der Zunge, wenn man irgendwo an belebtem Ort unerwartet eine Videokamera entdeckt. Die Redewendung stammt aus dem Buch «1984» von George Orwell (1903-1950). Der englische Schriftsteller schlug sich als Tellerwäscher, Vagabund und Lehrer durchs Leben und kämpfte im spanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Republikaner. Der internationale literarische Durchbruch gelang ihm mit den Welterfolgen «Animal Farm» und «1984».

 

Den «Big Brother»-Roman hatte Orwell 1948 vollendet, vertauschte die letzten beiden Jahrzahl-Ziffern und gab ihm den Titel «1984». Er zeichnet in seinem Roman das erschreckende Bild einer durch und durch totalitären Gesellschaft und einer absolut autoritären Staatsmacht. Sein 39jähriger Protagonist Winston Smith arbeitet im Wahrheitsministerium und wohnt im Victory-Block. Weil die Regierung den Strom tagsüber abstellt, steigt er zu Fuss die Treppen hoch. Auf jedem Treppenabsatz starrt ihn von einem grossen Plakat das derbe Gesicht eines Mannes an. Darunter heisst’s: «Der grosse Bruder beobachtet dich.» In Winstons Wohnung ist ein riesiger Bildschirm in der Wand eingelassen, der sogenannte Televisor. Besonders perfid: Die Lautstärke von Musik oder Sprache des Televisors kann nur leicht reguliert, aber nicht abgestellt werden. Und, das Gerät ist gleichzeitig Sender und Empfänger! Jede Bewegung und jeder Ton wird registriert.

 

Durch die Strassen der Stadt patrouillieren vereinzelt Männer mit Metallboxen am Rücken, aus welchen mehrere Videokameras ragen und ein Radargerät, welches die Umgebung abtastet. – Achtung: Das wird nicht in «1984» berichtet, sondern im Tages-Anzeiger vom 7. Mai 2022. Orwell würde sich im Grab umdrehen, wenn er von der Apple-Kartografierungs-Aktion wüsste.

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