Gestern - Heute

Glattgedanken

| Christian Ulrich

Ich bleibe beim Thema meiner letzten Kolumne. Das „Heute“ unterscheidet sich vom „Gestern“ nicht nur durch den Stand der Forschung, die Entwicklung der Technik, die Mode und die Zahl der auf der Erde lebenden Menschen. Die Menschen von 2020 denken anders als diejenigen von 1949. Wie in meiner letzten Kolumne berichtet, hat in einem Berner Schulhaus ein Kunstwerk aus dem Jahr 1949 einen Wirbel ausgelöst. Im ABC wird dort der Buchstabe N mit dem Kopf eines Schwarzen bebildert. Die N-Tafel ist mittlerweile zerstört. Nebenstehend äussern sich Schreibende zum Thema.

 

In Sachen Rassismus hat unser Empfinden einen starken Wandel durchgemacht. Der zeigt sich nicht nur in der Literatur, er ist auch spürbar beim Blättern in Kinderbüchern. Die alten Bilderbuch-Geschichten etwa von Babar dem Elefanten zeigen die Schwarzen derart abwertend, dass man sie heute den Enkeln gar nicht mehr erzählen kann.

 

Heute wird auch weltweit der Verdienst von Persönlichkeiten hinterfragt, denen seinerzeit ein Denkmal gesetzt wurde. Das ist gut so. Manchmal aber hat man Mühe, aus seiner persönlichen Galerie der bis anhin bewunderten Personen eine Figur zu kippen, die man für integer hielt: Zum Beispiel Alfred Escher oder Christoph Kolumbus. Ich finde es extrem heikel, über Leuten den Stab zu brechen, die in einer ganz anderen Zeit lebten; die Einflüssen ausgesetzt waren, die wir heute gar nicht nachvollziehen können.

 

In einem Interview im Tages-Anzeiger vom 22. September zum Thema sagt der Schweizer Thomas Maissen, Direktor am Deutschen Historischen Institut in Paris: „Das historische Bewusstsein beruht auf einem grundsätzlichen Verständnis für die Andersartigkeit der Vergangenheit und unserer Vorfahren und damit auch für die historische Bedingtheit und Vergänglichkeit unserer eigenen Überzeugung.“

 

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