Der Härtetest

Glattgedanken

| Christian Ulrich

Im Tages-Anzeiger vom 8. April schrieb Journalist Michael Meier unter dem Titel „Der April wird zum Härtetest für die Religionen“ über die Wirkung der Corona-Pandemie auf gläubige Menschen. Er zielte dabei auf die grossen monotheistischen Religionen mit ihren Feiertagen wie Ostern, Pessach und Ramadan. Meier: „Feiern gehört zur Religion, der sinnlich-leibliche Kontakt zum Kult. (...) Man reicht sich die Hand zum Friedensgruss. Küssen ist religions-übergreifende Praxis der Volksfrömmigkeit: Gläubige küssen Altäre, Reliquien, Schreine und Torahrollen.“ - Und solches Verhalten ist natürlich zurzeit lebensgefährlich!

 

Im Elsass wurde die Gebetswoche einer Freikirche zur Virenschleuder, im Iran der Andrang zum Fatima-Schrein in der heiligen Stadt Ghom. Und in Israel verzeichnen die Ultraorthodoxen die höchsten Infektionsraten, weil sie die Massnahmen der Regierung ignorieren. All diese Frommen können nicht verstehen, warum ihr Glaube ausgerechnet im Krisenfall nicht hilft.

 

Solchen Ansichten hielt der röm.-kathol. Theologe Urs Corradini sein Wort zum Sonntag vom 5. April entgegen: Er erklärte, es gebe einen theologischen Grundsatz, der heisse „Gnade setzt die Natur voraus.“ Bei seinem Handeln setzte Gott die Gesetze der Natur nicht ausser Kraft, sondern nutze sie für sein Handeln. Und er wirke mit Menschen. Dabei wies Corradini auf die vielen „Engel“ in den Spitälern. Ein gläubiger Mensch sei immer auch ein vernünftiger Mensch und nehme zur Kenntnis, was die Wissenschaft zu Tage fördere. „Es ist gefährlich, wenn ein katholischer Würdenträger heute sagt, dass das Allerheiligste, die Kommunion und das Weihwasser niemals eine Ansteckung bewirken könnten.“ – Solch mutige Worte beeindruckten mich.

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