Die Schule bewältigt grosse Herausforderungen

Covid-19 und Glattfelden

| Karin Steiner (schriftlich geführtes Interview)

Nach dem vom Bund verordneten Verbot von Präsenzunterricht hatten die Schulen nur gerade ein Wochenende Zeit, den Schulunterricht komplett neu zu organisieren. Beat Verhein, Leiter der Sekundarschule Glattfelden, berichtet im Interview, wie die Umstellung bisher verlaufen ist.

«Der Glattfelder»: Wie wird das «Verbot von Präsenzunterricht» in der Glattfelder Sekundarschule umgesetzt?

Beat Verhein: Die Ankündigung der Bildungsdirektion erfolgte am späten Freitagnachmittag. Zu jenem Zeitpunkt war für die meisten Jugendlichen der Unterricht schon beendet und sie waren zu Hause. Deswegen mussten sie am ersten Tag der Einstellung des Präsenzunterrichts nochmals aufgeboten werden, um gestaffelt ihr Schulmaterial zu holen. Über das Wochenende hatte ich eine Planung des ersten Tages für die Lehrpersonen entworfen und verschickt. Am Montagmorgen wurden dann die Rahmenbedingungen für den Fernunterricht gemeinsam besprochen und dieser anschliessend geplant.

 

Die Kommunikation mit den Jugendlichen erfolgte in der ersten Woche noch über Chats. Die Schulverwaltung richtete in einer Blitzaktion für alle Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule eine persönliche Mailadresse ein und verschickte die Zugangsdaten per Post. Damit erhielten die Jugendlichen auch gleich Office 365 mit den nötigen Anwendungen auf PC, Tablet oder Smartphone. Gleichzeitig arbeiteten sich die Lehrpersonen in die Anwendung von Microsoft Teams ein, das ab der zweiten Woche die Kommunikation per Chat ablösen sollte. Jugendlichen, die Probleme beim Einrichten ihres Microsoft-Kontos hatten, standen mehrere Lehrpersonen entweder per Videochat oder vor Ort zur Seite. Das waren jedoch nur einzelne Kinder, alle anderen arbeiteten schon von zu Hause aus. Seit der zweiten Woche kommunizieren wir per Teams, was erstaunlich gut funktioniert. Zum Glück gibt es im Netz und vom Hersteller selbst ganz ausgezeichnete Anleitungen.

Wie verläuft so ein Schultag?

Die Jugendlichen haben einen Stundenplan für die ganze Woche in dem alle Fächer, natürlich unterschiedlich im Umfang, zum Zug kommen. Neben den kopflastigen Fächern gibt es auch Aufträge im Sport, in Musik, Handarbeit und Hauswirtschaft, neu WAH genannt. So kochen und backen die Jugendlichen zu Hause, was laut ihren Rückmeldungen eine willkommene Abwechslung ist. Gearbeitet wird von 8 bis 12 Uhr. In dieser Zeit wird erwartet, dass sie online und erreichbar sind. Sie sollen sich auch ankleiden, als würden sie zur Schule gehen. Es macht mental einen Unterschied, ob man im Pyjama oder ordentlich gekleidet am Computer sitzt.

 

Von 9 bis 11 stehen die Lehrpersonen per Videochat und schriftlich für Rückfragen und Erklärungen zur Verfügung. In dieser Form werden teils auch Lektionen gehalten: Die Lehrperson überträgt die Lektion per Live-Video nach Hause. Bis um 12 Uhr müssen alle Aufträge, welche die Jugendlichen am Vorabend bis 17 Uhr erhalten haben, eingereicht werden. Die Lehrpersonen kontrollieren den Rücklauf, geben Feedback und stehen auch sonst mit den Jugendlichen in Kontakt. Es geht in dieser speziellen Situation auch darum den sozialen Kontakt zu pflegen, eines der grössten Mankos des Fernunterrichts.

Haben die Schülerinnen und Schüler denn Computer etc. zu Hause?

Bis auf ein Kind haben alle zu Hause einen Computer, ein Smartphone oder ein Tablet zur Verfügung. «Teams» läuft zum Glück auf allen Plattformen, das erleichtert die Arbeit ungemein. Der eine Schüler erledigt seine Aufträge jeweils vormittags alleine in einem Schulzimmer.

Oder stellt die Schule Geräte zur Verfügung?

Die Schule hat zwar eine stattliche Anzahl an Laptops, doch sind diese an unseren hausinternen Server gebunden und werden durch diesen verwaltet. Wir bieten jedoch die Möglichkeit, in der Schule an einem Laptop zu arbeiten. Da die Schulzimmer derzeit zum grossen Teil leer stehen, können wir den einen betroffenen Jugendlichen allein in einen Raum setzen, so dass den Hygiene- und Abstandsvorschriften Genüge getan wird.

Was machen die Lehrpersonen nun anders?

So ziemlich alles. Statt mit der ganzen Klasse direkt zu interagieren, sitzen sie vor einem Bildschirm. Der persönliche Kontakt zu den Lernenden, die Beziehungspflege sind deutlich schwieriger zu bewerkstelligen als im Präsenzunterricht. Wie ich von meinem Team höre, vermissen alle diesen persönlichen Kontakt. Ich denke, dass auch den Lehrpersonen der tägliche und unkomplizierte Austausch miteinander fehlt. Den Klassen werden viel mehr schriftliche Aufträge erteilt, mehr Videos, teils selbst erstellte, sowie Beiträge von diversen Lernplattformen kommen zum Zug. Eine Gesprächsrunde, Gruppen- und Partnerarbeiten lassen sich nun nicht mehr durchführen oder eben nur stark eingeschränkt. Schwieriger wird auch die direkte Hilfestellung, da hierfür immer ein technisches Medium benutzt werden muss. Fast schon gespenstisch ist die im Schulhaus und auf dem Pausenplatz eingekehrte Ruhe. Niemand ist mehr da, den man zur Aufmerksamkeit und Ruhe ermahnen müsste, kein Streit um den Fussball zu schlichten.

Wie werden die Aufgaben kontrolliert?

Die erteilten Aufgaben sind bis um 12 Uhr mittags einzureichen, was über «Teams» sehr simpel funktioniert, sogar wessen Arbeit noch aussteht, ist hier ersichtlich. Die Lehrpersonen korrigieren anschliessend die Aufträge und geben eine Rückmeldung. Natürlich gibt es Schlaumeier, die einfach die Kopie des Auftrags eines anderen einreichen, doch sind die Lehrpersonen ja auch nicht auf den Kopf gefallen, sie kennen ihre Pappenheimer.

Gibt es Kinder, die in die Schule kommen müssen?

Vier fremdsprachige Kinder, die bei uns in einem Sondersetting in DaZ (Deutsch als Zweitsprache) unterrichtet werden, kommen jeweils für eine halbe Stunde gestaffelt in die Schule. Die DaZ-Lehrperson erklärt ihnen unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsvorschriften ihren Auftrag. Diese Kinder wären sonst nicht im Stand, den Fernunterricht zu bewältigen.

Wie ist die erste Schulwoche verlaufen und wie ist das Echo von Schulkindern und Eltern?

Das System pendelt sich ein, die letzten technischen Hürden werden genommen. Die Lehrpersonen stellen sich der neuen Situation mit Kreativität und hohem Engagement, an dieser Stelle ein ganz grosses Dankeschön und Kompliment an mein Team. Die Schülerinnen und Schüler reagieren mehrheitlich positiv auf die neue Situation. Am meisten fehlen ihnen sicher die sozialen Kontakte. Einzelne laufen sogar zur Hochform auf, da sie nun nicht mehr in der Klasse eine bestimmte Rolle spielen müssen, sondern sich auf das Lernen konzentrieren können. Wie ich von den Lehrpersonen höre, sind auch die Eltern positiv eingestellt, unterstützen die Jugendlichen nach Kräften und sind froh über die klare und zeitnahe Kommunikation. Ich denke jedoch, dass der Belastungstest erst noch kommen wird, sollte die Schulschliessung nach den Frühlingsferien noch andauern.

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