Projekt «Einfaches Wohnen» muss erneut vors Volk

Kreditüberschreitung sind keine gebundenen Ausgaben

| Yvonne Russi

Das Bauprojekt «Einfaches Wohnen» im Wisengrund erleidet einen Rückschlag. Das Zürcher Verwaltungsgericht stoppt das geplante Vorgehen der Gemeinde.

Mit dem Gerichtsurteil des Zürcher Verwaltungsgericht vom 26. April 2023 (Publikationsdatum) verzögert sich das neue Asylanten-Wohnheim weiter. Grund sind die sich noch vor Baubeginn abzeichnenden Mehrkosten, welche keine «gebundene» Ausgaben sind.

Was ist diesem Entscheid vorangegangen?

An der Urnenabstimmung vom 15. Mai 2022 genehmigten die Stimmberechtigten der Gemeinde Glattfelden für den Neubau der Flüchtlingsunterkunft ''Einfaches Wohnen'' einen Projektkredit in Höhe von 4'125'400 Franken.

 

Am 5. Dezember 2022 hat der Gemeinderat von Glattfelden beschlossen, einen Auftrag an einen Totalunternehmer zu vergeben. Dies zu einem Betrag von rund 4 Millionen Franken. Inklusive dem Landanteil würden so Kosten von 5.27 Millionen Franken für das Projekt zu buchen schlagen, was eine klare Budget-Überschreitung darstellt. Begründet wurden diese Mehrkosten mit der ungünstigen Entwicklung des Baumarktes und insbesondere der Teuerung zwischen März und Herbst 2022. Der Gemeinderat entschied, da diese Entwicklungen nicht vorhersehbar gewesen seien, dass es sich bei diesen Mehrkosten um gebundene Ausgaben handelt, über welche nicht neu befinden werden muss.

 

Gegen diesen Beschluss erhob die Rechnungsprüfungskommission der Gemeinde Rekurs. Am 1. Februar 2023 hiess der Bezirksrat Bülach diesen Rekurs gut. Er wies den Gemeinderat an, entweder einen Zusatzkredit bei der Gemeindeversammlung zu beantragen oder eine Aufhebung des bereits bewilligten Kredites zu veranlassen.

 

Gegen diesen Entscheid legte am 6. Februar 2023 der Gemeinderat beim Verwaltungsgericht Beschwerde ein. Er beantragte, den Rekursentscheid des Bezirksrats aufzuheben.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts

Vorab beurteilte das Verwaltungsgericht, ob die Rechnungsprüfungskommission überhaupt in diesem Fall rekursberechtigt ist. Die Richter kamen zum Entschluss, dass dies gegeben ist. Begründet wird dies durch den Umstand, dass die Mehrkosten als gebundene Ausgaben sich der Prüfungsbefugnis der Rechnungsprüfungskommission entziehen würden, was aber im vorliegenden Fall direkt die gesetzliche Aufgabe der RPK wäre.

 

Weiter urteilte das Verwaltungsgericht um den Streitpunkt, ob die höheren Kosten für den Bau der Flüchtlingsunterkunft von Fr. 1.14 Millionen Franken als gebunden zu qualifizieren sind. Hier kam das Gericht zum Schluss, dass dies nicht der Fall ist. Dies aus dem Grund, da die ausgewiesenen, teuerungsbedingten Mehrkosten von 32.33 Prozent (ohne Landanteil) deutlich über dem Baupreisindex für Mehrfamilienhäuser aus Holz liegen.

 

Die Richter gehen dar davon aus, dass das Projekt bereits zum Zeitpunkt der Urnenabstimmung nicht zum veranschlagten Preis umsetzbar gewesen wäre. Sie gehen weiter davon aus, dass der im Mai bewilligte Projektkredit eine unsorgfältige Kostenschätzung zugrunde liegt.

Diesem Umstand geschuldet lassen sich die Mehrkosten auch nicht mit einem Zusatzkredit bewilligen, da die Stimmberechtigten bei der Urnenabstimmung von falschen Kosten ausgegangen ist.

 

Weiter machte der Gemeinderat geltend, dass durch Dringlichkeit des Projekts davon auszugehen sei, dass die Mehrausgaben gebunden seien. Auch dieser Einschätzung konnte das Gericht nicht folgen. Im Urteilschreiben nehmen die Richter wie folgt Stellung: «Der Beschwerdeführer (Anmerkung der Redaktion: Der Gemeinderat) hat die Verzögerungen selbst verursacht, indem er einen bereits zum damaligen Zeitpunkt zu tiefen Verpflichtungskredit beantragte bemerkt.»

Wie geht es nun weiter?

Aus jetziger Sicht zeichnen sich zwei mögliche Szenarien ab:

 

1) Der Gemeinderat hält am Projekt fest: In diesem Fall muss der Gemeinderat mit einer erneuten Abstimmung das Gesamtprojekt bewilligen lassen.

 

2) Der Gemeinderat hält nicht am Projekt fest: Auch in diesem Fall muss der Stimmbürger an die Urne. Er muss darüber abstimmen, ob der ursprünglich abgesegnete Betrag aufgehoben wird.

Und das meint der Gemeinderat dazu

Auf Anfrage nimmt der Gemeinderat wie folgt Stellung: «Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nicht im Sinne des Gemeinderats. Wie viele andere Gemeinden auch, braucht Glattfelden dringend Raum für die Unterbringung von Asylbewerbenden, welche der Gemeinde zugeteilt worden sind. Dass sich dieses Projekt nun verzögert, ist ärgerlich. Der Gemeinderat wird sich an der kommenden Sitzung vom 8. Mai über dieses Thema beraten und die weiteren Schritte planen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch offen wie es weitergeht. Aufgrund der bereits investierten Planungskosten, der hohen Zustimmung zum Projekt bei der Urnenabstimmung und dem damit verbundenen Auftrag der Bevölkerung muss das weitere Vorgehen intensiv analysiert werden. Grundsätzlich können wir festhalten, dass dem Gemeinderat im Submissionsverfahren schlichtweg keine kostengünstigeren Angebote vorlagen. Die Kostenschätzung erfolgte aufgrund von Referenzprojekten eines spezialisierten Planungsbüros. Wie allgemein bekannt, ist es in Bauprojekten aktuell äusserst schwierig, eine genaue Kostenschätzung abzugeben. Die Preise ändern sich fast täglich – leider vor allem nach oben. Der Gemeinderat wird nach seiner Sitzung vom 8. Mai über das weitere Vorgehen informieren.»

Urteil noch nicht rechtskräftig

Es gilt zu beachten, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig ist. Gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts kann innert 30 Tagen beim Bundesgericht eine Beschwerde eingereicht werden.

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