Wenn Trommelfelle Gedichte streicheln

GKZ Kulturzentrum

| Koni Ulrich

Ein Schlagzeug mit dem Poeten: wie soll das nur zusammengehen? fragte man sich zuvor. Geht sehr wohl, zeigten Thomas Gröbly, Ulrike Büchs und Toni Reynold im Gottfried Keller-Zentrum mit besinnlich-kritischer Poesie und feinfühlig verwebten Rhythmen.

Es sind nicht ganz alltägliche Tücken, mit denen der Poet, in diesem Fall Thomas Gröbly, seines Zeichens Bauer, Theologe und bis vor zwei Jahren Dozent, zu kämpfen hat. So ist er im Spital etwas ungelenk an das Knochenmodell gestossen, so dass er kurz ins Stolpern kam. «Stürzend suchte ich Halt an ihren Rippen, aber die Knochenfrau warf sich auf mich und flüsterte mir ins Ohr: Das kommt vor!» Alle Gedichte sind kurz, teils sogar verblüffend kurz und bieten zu ihrem Schluss eine kleine Kunstpause an, damit sich der Besucher das Ganze schön langsam nochmals zusammenreimen kann. Die Langsamkeit ist nicht von ungefähr ein grosses Thema in den diversen Poesiebänden, die der frühere Dozent für Ethik und Nachhaltigkeit im Verlag Volles Haus herausgibt. Vor sechs Jahren wurde bei ihm eine schwere Krankheit diagnostiziert, welche die Muskeln schwächt. Nicht nur muss er sich nun mit zwei Krücken in den ersten Stock des Zentrums hochkämpfen, auch macht ihm das Reden und Vortragen immer mehr Mühe. Zum Glück hat er seine Begleiterin Ulrike Büchs mitgenommen, welche einen grossen Teil der Lesungen übernimmt.

Für Grün reicht es nicht

Im Gedicht «Rot» heisst es, die Zeit reiche nicht für die Strassenüberquerung bei Grün. Das Leben sei langsam geworden. Der Dichter befürchtet aber nicht etwa, dass das allenfalls gefährlich werden könnte, sondern fragt sich vielmehr, ob er denn wirklich auch da sein möchte, wo er im Normalfall schneller hinkäme. Nicht nur vor dem Langsamen, auch vor dem absehbaren Tod hat Gröbly zwar Respekt, aber, so wie es scheint, keine Angst. Er könne keine Bäume mehr ausreissen, dazu fehle ihm die Kraft, heisst es in einem weiteren Kleinod. Er könne aber immer noch langsam Eicheln setzen. Später folgert er in einem weiteren Gedicht im neusten Band, welcher übrigens seinem jungen Enkel Norin gewidmet ist, dass er mit seiner zunehmenden Schwäche immer kleinere Kreise ziehen werde und somit gleichsam einem Baum immer näherkomme. Dieser könne nicht fort, heisst es da, brauche viel Geduld, wenn er auf Regen, Sonne oder Schnee – oder gar auf eine Umarmung warte. Womit die Liebe ins Spiel kommt, eine oft schwierige Angelegenheit. Wenngleich unser Poet 30 Jahre mit seiner Frau zusammenlebe, kenne er sie immer noch nicht. Ausserdem, der lieblose Umgang der Gesellschaft mit Menschen, Tieren und Natur, den er als kritischer Geist beobachte, mache es ihm auch nicht unbedingt einfacher, das Leben zu lieben. Da ist der kleine Enkel Norin ein Glücksfall, der gibt sich ihm mit seiner Jugend vertrauensvoll hin.

Kein Schlagzeug

Wenn Ulrike Büchs oder Thomas Gröblys Stimme sich mit den Rhythmen des gewieften Jazz-Schlagzeugers Toni Reynold verweben und verstricken, so ist der Name jenes Instruments eigentlich nicht der richtige. Geschlagen wird nämlich kaum, vielmehr gestreichelt, berührt, gerieben und auch mal stehend mit dem Geigenbogen gearbeitet. Intuitiv, völlig hingegeben, teils mit geschlossenen Augen liefert Reynold einen akustischen Hintergrund, sucht dann wieder den Blickkontakt zu den Lesenden oder läuft zwischendrin auch mal zum eigenen Solo auf. Kein Zweifel, dieses Poesie-Trio ist eine verschworene Einheit. Das zeigt sich dann endgültig, wenn Thomas Gröbly einem vorgespielten rhythmischen Gebilde des Perkussionisten eines seiner eigenen Gedichte zuordnen muss. Das gelingt zwar nicht immer, aber meistens. Wer zu Hause Lust bekommt, eines der kleinen Poesie-Bändchen von Thomas Gröbly zu lesen, kann sie im Verlag Volles Haus beziehen. Und, als kleine Stichelei an die Abwesenden: Wer am Sonntag eines kaufte, bekam natürlich ein Exemplar mit der Signatur und dem Gruss des Autors.

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