„Wir sind nicht der Abfalleimer der Nation – Kein Atommüll in Glattfelden“ lese ich und würde gerne anfügen „lieber in Weiach“. Das Statement am nördlichen Dorfeingang wird auf der Rückseite noch deutlicher: „Grundwasser vergiftet, Zukunft verspielt“. Als ich das anfangs September lese und mich erinnere, wie die Corona-Massnahmen des Bundesrats vor einigen Monaten die Bevölkerung zu spalten vermochten, schwant mir nichts Gutes. In meinem Kopf entwickelt sich ein Seldwyla-Szenario:
Seit mehr als einem halben Jahrhundert produzieren unsere Atomkraftwerke heiklen Abfall und wir wissen immer noch nicht, wo wir die strahlende Hypothek lagern können. Dieser Tage hat die Nagra ihren Entscheid gefällt und der Bevölkerung präsentiert. Nun geht die Sache an den Bundesrat und jetzt geht's los: Die Freiheits-Trychler holen ihre Glocken hervor und in ihrem Windschatten können alle Frustrierten ihren Unmut wieder laut und farbig hinausschreien, denn sie kennen ja die Sündenböcke. An jedem möglichen Standort demonstrieren Hunderte oder gar Tausende und die extrem aufgeheizte Stimmung alarmiert Behörden und Polizei.
Der Bundesrat ist schockiert und traut sich gar nicht, einen Entscheid zu fällen. Angesichts der zu erwartenden Reaktionen müssten die entsprechenden Bauvorhaben mit Armeeunterstützung durchgesetzt werden. Und das in einer Demokratie! Die sieben Mitglieder unserer Landesregierung diskutieren nächtelang und kommen schliesslich auf eine urdemokratische Lösung: Der Atommüll wird in handliche Fünfkilo-Büchsen (mit Totenkopf) abgefüllt und gemäss dem Stromverbrauch gerecht an alle Personen und Betriebe verteilt. So sind wir dann alle kleine Abfalleimer, nutzen nicht nur den Strom, sondern müssen uns auch um den Müll kümmern, und niemand kann sich den anderen gegenüber benachteiligt fühlen.