Lehrkräftemangel

Glattgedanken

| Christian Ulrich

Als pensionierter Lehrer beschäftigt mich diese Problematik vor Beginn des neuen Schuljahrs. Der Tages-Anzeiger vom 13. August hat sieben Sachverständige zum Thema befragt. Als Ursache nennen alle als erstes die steigenden Schülerzahlen und die gleichzeitig starken Pensionierungsjahrgänge der Lehrkräfte. Das trifft sicher zu, war aber voraussehbar. Ursula Renold, Professorin für Bildungssysteme an der ETH meint: „Der Lehrberuf steht in Politik und Öffentlichkeit oft in der Kritik. Das hilft nicht, ihn als besonders erstrebenswert erscheinen zu lassen.“

 

Für mich war er seinerzeit auch nicht erstrebenswert. Ich besuchte die Mittelschule, weil ich nicht wusste, was ich wollte. „So hältst du dir alle möglichen Wege offen“, war die Meinung meiner Eltern. Der Beruf des Reallehrers (heute Sek B) kam mir sehr entgegen. Ich konnte – völlig reglementskonform – in 14 verschiedenen Fächern unterrichten. Am Anfang meiner Tätigkeit in der 100%-Stelle hatten die Knaben alle Fächer (!) bei mir, nur die Mädchen besuchten die „Nähschi“ und den Turnunterricht bei anderen Lehrpersonen.

 

Im aktuellen Schulsystem möchte ich nicht mehr unterrichten. Durch die spezialisierte Ausbildung an der PH ist es heute unmöglich, ohne Zusatzqualifikationen ein volles Pensum zusammen zu bringen. Man muss dazu an verschiedenen Klassen unterrichten und das Teilzeitpensum bietet sich geradezu an. Kinder sind aber keine Werkstücke, mit denen man sich wöchentlich drei Lektionen beschäftigen kann. Sie brauchen Bezugspersonen und diese müssen bereit sein, Verantwortung zu übernehmen. Und hier liegt die Krux des heutigen Systems: Die Kinder haben zu viele Lehrpersonen und dadurch keine echte Bezugsperson. Und wer an einer Klasse wöchentlich nur drei Lektionen unterrichtet, fühlt sich auch nicht verantwortlich für deren Wohlergehen.

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