Mit Kescher zentnerweise Fische aus der Glatt gezogen

Bruno Rossi’s letzte Geschichte

| Yvonne Russi

Vom Fischer- zum Agglomerationsdorf: In seiner letzten Geschichte erzählt Bruno Rossi von dem Fischreichtum in der Glatt. Kaum vorstellbar, dass Glattfelden einst ein Fischerdorf war und Speisefische wie Aale und Lachse ins Ausland exportiert wurden.

Bruno Rossi: Die Glatt gab unserem Dorf seinen Namen. Noch vor wenigen hundert Jahren war der Fischreichtum in der Glatt so gross, dass viele Einwohner von der Fischerei leben konnten. Vorwiegend wurden Lachse gefangen und nach Deutschland verkauft. Aber auch Aale, Forellen und Nasen wurden in grossen Mengen gefischt. Die Aale waren wegen seiner Grösse und seiner Güte so besonders, dass diese sogar an die Fürstenhäuser von Wien und Budapest verkauft wurden.

 

Doch dann kam im 20. Jahrhundert die Industrialisierung. Der Glattlauf wurde verändert, Kleinkraftwerke installiert und die Wasserqualität litt drastisch. Den Fischen wurde so ihr Lebensraum über die Jahrzehnte kontinuierlich entzogen, bis letztlich die Bestände in den Jahren 1950 bis 1960 vollständig zusammenbrachen.

Noch in den 1940er-Jahren fischte ich mit meinem Freund Oskar Wäckerling in der Glatt. Viele Erinnerungen an diese Zeit sind mir geblieben. Wir kämpften über eine halbe Stunde mit einem riesigen Hecht, bis wir diesen völlig erledigt aus dem Wasser zogen. Oder wie wir nach Gewittern Forellen mit einer Fliege fast reihenweise aus dem Wasser zogen. Ich liebte die Zeit mit Oskar an der Glatt. Wir erlebten so viele Abenteuer zusammen.

Um die Zeit von Pfingsten kamen die Ruchfische in grosser Zahl in die Glatt zum Laichen. Oskar und ich fuhren mit dem Weidling vom Rhein her in den Glatttunnel. In der Tunnelmitte stiegen wir aus und banden das Boot an einen fix montierten Haken. Das Wasser reichte uns bis über die Hüfte. Wir schlugen mit Stöcken auf das Wasser und trieben so die Fische aus dem Tunnel in die Glatt zurück.

 

Beim Tunnelportal auf der Glattseite wartet Verstärkung auf uns. Walter und Hans Wäckerling kamen mit einem Netz zu uns ins Wasser. Wir spannten das Netz über die ganze Glattbreite und liefen so weiter, gegen die Strömung, die Glatt hoch.

 

Beim Erisamer-Wuhr, einer künstlich angelegten Stromschnelle ungefähr 300 Meter unterhalb der Letten-Spinnerei, wimmelte es nur noch so von Fischen. Nicht mal mehr der Glattboden war zu erkennen. Die Fische waren nicht in der Lage, die Stromschnelle zu überwinden und so schöpften wir all die Ruchfische mit dem Kescher, aber auch von Hand, ab. Rund drei Zentner Fisch konnten wir so aus der Glatt fischen.

Heute erholen sich die Fischbestände in der Glatt wieder. Vom Fischreichtum vergangener Jahrhunderte können wir aber nur träumen. Es braucht noch viele Bemühungen, bis die Glatt wieder als gesundes Fischgewässer bezeichnet werden kann. Und auch wenn die Wasserqualität sich verbessert hat, machen die hohen Wassertemperaturen den vergangenen Jahren den Fischen das Leben schwer.

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