Der 2. Weltkrieg, Teil 2

Glattfelden anno dazumal

| Yvonne Russi

Bruno Rossi wird am 15. August 92 Jahre alt. Nur gerade 11 Monate davon lebte der Urglattfelder ausserhalb unserer Gemeindegrenzen. Viel Dorfgeschichte hat er in all diesen Jahren hautnah erlebt, manches sicherlich auch vergessen, doch der 2. Weltkrieg ist im präsent, als wäre es gestern gewesen. Davon erzählte er mir.

 

Bruno Rossi: Ja, die Geschehnisse während des 2. Weltkriegs prägten nicht nur meine Jugendjahre, sondern mein ganzes Leben. Das Schweizer Militär war omnipräsent in unserem Dorf. Und als Grenzgemeinde in unmittelbarer Nähe zu Deutschland war die Gefahr von Grenzscharmützel allgegenwärtig.

 

Wir Kinder erlebten hautnah, wie das Militär sich mit einer Kompanie in Zweidlen Station-Rheinsfelden niederliess und die Grenze zu Deutschland befestigte. Nach kleineren Zwischenfällen wurden beim Kraftwerk Maschinengewehre in Stellung gebracht. Und in Zweidlen Dorf, beim Lehrerhaus, grub die Fliegerabwehr drei grosse Geschütze auf.

Der Krieg war vor unserer Haustür

Mehrmals wöchentlich heulten in Glattfelden und Zweidlen die Sirenen. Das bedeutete «Fliegeralarm»! Wir erlebten, wie die Fliegerabwehr in Aktion trat und gegnerische Flugzeuge mit den grossen Kanonen beschossen wurden. Die Granaten der Fliegerabwehrkanonen explodierten dann über unseren Köpfen.

 

Des Öfteren kam es vor, dass sich alliierte Luft-Streitkräfte leicht «vernavigiert» hatten und so Schweizer Luftraum überflogen. Um den Piloten ihr Missgeschick zu zeigen, wurde viele Hausdächer mit grossen, roten Schweizerkreuzen bemalen.

 

Dennoch mussten wir tagsüber in den Häusern Schutz suchen. Waren wir auf dem Feld zugange oder auf dem Nachhauseweg von der Schule, suchten wir Schutz vor Granatsplittern in einem Seitengraben. Nachtsüber, wenn die Dachmarkierungen für die Piloten nicht mehr sichtbar waren, mussten wir alle in die Keller. Unter Boden waren wir deutlich besser geschützt. Dort waren die Rucksäcke mit fester Kleidung und einem Notproviant stets griffbereit.

«Vom Winde verweht»

An einem Sonntagmorgen explodierten wiederum Granaten. Unsere Fliegerabwehr nahm westliche Militärmaschinen unter Beschuss, welche ohne Erlaubnis über Schweizer Hoheitsgebiet flogen. Mindestens eine «fliegende Festung» wurde getroffen und die Besatzung rettete sich mit dem Fallschirm. Doch der Westwind blies so heftig, dass die Fallschirmspringer in Richtung der deutschen Grenze abgetrieben wurden. Unsere Fliegerjäger, die öfters bei Fliegeralarm die Bodenmannschaften von der Luft aus unterstützen, umkreisten die schwerbewaffneten Fallschirmspringer so nahe, dass sie zurück auf Schweizer Boden getrieben wurden. Nach der Landung wurden die Fallschirmspringer festgenommen und im Zweidler Internierungslager im Härdli untergebracht.

Tödliches Missverständnis?

Leutnant Sigg war ein schlimmer Mensch. Er liebte es, die Wachen zu kontrollieren und die Wachsoldaten zu schikanieren. Diese wurden aber genau instruiert, niemanden ohne gültigen Ausweis Zutritt zu Bunkern zu gestatten. Immer wieder testete Leutnant Sigg seine Soldaten und versuchte, sich ohne Ausweis Zutritt zu verschaffen. Wurde ihm Zutritt gewährt, schickte er den verantwortlichen Soldaten in den Arrest.

 

Es war an einem schönen Sommertag. Ich war auf dem Weg zur Schule und hörte einen Schuss. Diesen Schuss werde ich nie mehr vergessen. Einmal mehr, es war sein letztes Mal, testete Leutnant Sigg seine Wachmannschaft und wollte sich gewaltsam und ohne Ausweis Zugang zum Bunker «Lettenfabrik» verschaffen. «Ich bin es doch, euer Leutnant, ihr kennt mich doch», soll er noch gerufen haben. Doch der Wachmann Meier aus Zweidlen Dorf handelte nach Vorschrift und erschoss den Leutnant. Nach kurzem Arrest wurde Wachmann Meier vom Oberst der Einheit freigesprochen, da er rechtens und nach Vorschrift gehandelt habe. Das Urteil lautete: Freispruch und zwei Wochen Urlaub.

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