Der 2. Weltkrieg, Teil 1

Glattfelden anno dazumal

| Yvonne Russi

Bruno Rossi wird am 15. August 92 Jahre alt. Nur gerade 11 Monate davon lebte der Urglattfelder ausserhalb unserer Gemeindegrenzen. Viel Dorfgeschichte hat er in all diesen Jahren hautnah erlebt, manches sicherlich auch vergessen, doch der 2. Weltkrieg ist im präsent, als wäre es gestern gewesen. Davon erzählte er mir.

 

Hans Frei mit Trompete auf dem Konsumlastwagens

Bruno Rossi: Meine erste Erinnerung an den 2. Weltkrieg geht zurück zur allgemeinen Mobilmachung. 450'000 Soldaten und 200'000 hilfsdienstpflichtige Männer rückten in den Aktivdienst ein. In Glattfelden, Zweidlen und Rheinsfelden rief Militärtrompeter Hans Frei die wehrdienstpflichtigen Männer zusammen. Da es noch keine Handys gab und Telefone im Dorf spärlich vorhanden waren, fuhr auf der Ladebrücke des Konsumlastwagens durch unser Dorf und spielte den «Zapfenstreich». Dies signalisierte jedem, dass er sich auf den definierten Sammelplätzen einzufinden hat.

Die Aufregung im Dorf war gross. Die Bauern mussten ihre Familie und ihren Hof verlassen und nahmen gar die diensttauglichen Pferde mit. Zurück liessen sie ihre Frauen und ihre Kinder, die sich um die schwere Arbeit auf dem Hof kümmern mussten.

Lebensmittel wurden rationiert

Gleich danach wurden Grundnahrungsmittel wie beispielsweise Zucker, Teigwaren, Mehl, Milch, Butter oder Schokolade streng rationiert. Mit Lebensmittelmarken, jede Person bekam gleichviele Marken, konnte man die entsprechenden Lebensmittel kaufen. Dies wurde streng kontrolliert und auch die Bauern durften nichts über die Gasse verkaufen.

Hungern mussten wir zu Hause kaum, denn meine Mutter Helena pflegte ihren grossen Gemüsegarten mit voller Hingabe. Ich kümmerte mich um meine kleine Kaninchenzucht, welche ich gleich zu Kriegsbeginn startete. Mit meinen 20 bis 40 Weisswiener-Kaninchen war ich recht erfolgreich unterwegs und konnte etwas zur Haussteuer beitragen. Auch war meine kleine Zucht eine willkommene Fleischquelle, welche unseren Tisch bereicherte. Geschlachtet habe ich die Kaninchen selbst. Dies hatte mir Schaggi Gut beigebracht.

«Soldätlis" gegen Zweidlen-Dorf und Letten

Nach der Schule und den Hausaufgaben half ich im Bauernbetrieb der Familie Gut mit. Entlöhnt wurde ich mit Eiern, Brot und Butter, welche ich nach Hause schmuggeln musste. Erwischt wurde ich trotz dem vielen Militär, welches bei uns stationiert war, glücklicherweise nie.

Nach getaner Arbeit spielten wir Buben natürlich «Soldätlis». Wir bastelten Helme aus Karton und zimmerten uns Holzhellebarden. Gekämpft wurde gegen die Knaben aus dem Zweidler-Dorf und gegen die im Letten. Es ging manchmal rau zur Sache, doch wir alle hatten einen Riesenspass.

 

In unserem kleinen Weiler war eine ganze Kompanie stationiert. Sie bewachten die Grenze zu Deutschland, sondern überwachten auch den Luftraum. Nebst Wachposten waren beim Kraftwerk auch einige Maschinengewehre in Position und im Zweidler Dorf waren zwei Fliegerabwehrkanonen stationiert.

Jassen mit den Soldaten

Das Militär war sogar in unserer Stube präsent. Denn die Offiziere nutzen diese und speisten bei uns zu Hause zu Mittag. Verpflegt wurden sie aus der Soldatenküche gleich hinter der Konsum-Filiale. Dort standen wir auch vielfach, denn nach den Mahlzeiten der Offiziere und der Soldaten erhielten wir oft die Essensreste.

 

Wenn ich nach der Schule am Nachmittag nach Hause kam, sitzen die Offiziere vielfach noch in unserer Stube. Dann hiess es: «Bruno, komm und mach mit uns einen Jass. Uns fehlt noch ein Spieler.» Natürlich fühlte ich mich geehrt, mit diesen wichtigen Mannen jassen zu dürfen. Und ich hoffte insgeheim, die eine oder andere wichtige Kriegsinformation aufschnappen zu können. Vielleicht war gar ein Militärgeheimnis mit dabei…

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