„Tobe dich aus“

Glattgedanken

| Christian Ulrich

„Tobe dich aus“ in Grossbuchstaben ist das Editorial in einem Werbemagazin für Sportartikel betitelt. Im Heft, das meiner sonntäglichen Zeitung beilag, sagt der Marketingleiter einer bekannten Sportartikelmarke: „Wir in der Schweiz sind privilegiert, haben die schönsten Sportplätze vor der Haustür, den „Playground Schweiz“. (...) Die E-Bike-Industrie hat enorm an Fahrt aufgenommen. Die Bikes bieten immer mehr Komfort, die Tourismusregionen immer raffiniertere Trails.“

 

Die Schweiz als „Playground“? – Das Verb „toben“ ist absolut negativ. Ein Wirbelsturm tobt, oder ein Säufer. Ein Sportler in unberührter Natur sollte das nicht tun. Wer sich austoben will, soll das auf der prädestinierten Sportstätte tun, zu Hause, im Fitnesscenter oder in der Gummizelle. Für Mountainbiker würde ich auch die Waldstrasse dazu zählen, aber nicht die Spur quer durchs Unterholz. Es ist das Toben in der Natur, welches die Schweiz zum Playground macht. Aber wer die Natur zur Erbauung sucht, sucht keinen Playground. Auf dem „raffinierten“ Biketrail im Wald bist du lediglich Partner der dort existierenden Lebewesen und sollst Rücksicht nehmen. Auf dem Fussballplatz magst du gefürchteter Stürmer sein, aber auf dem Biketrail bist du nur Teil eines empfindlichen Ökosystems. Ist sich der Biker dessen bewusst, wenn er dank E-Hilfe an einem Nachmittag sechsmal nacheinander die gleiche Downhill-Strecke hinuntertobt. Ich glaube kaum. Rücksicht nehmen muss er sowieso nicht, denn dort hat es schon lange keine grösseren Lebewesen mehr.

 

Ich bin seit Kindsbeinen begeisterter Radfahrer, nutze das Velo im Alltag und als Sportgerät. Aber das E-Bike trägt den Radsport auch an Orte, wo er nicht hingehört. Dort stört er Menschen, welche die Natur zu Fuss, mit offenen Augen und Ohren erkunden wollen.

 

(Die weiblichen Personenformen sind auch gemeint.)

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