Dreistündiges Ringen ums Budget

Ausserordentliche Gemeindeversammlung

| Roger Suter

Ein ehemaliger Gemeinderat hat das Glattfelder Budget fast im Alleingang um knapp 40 000 Franken entlastet. Eine Arbeit, die eigentlich der amtierende Gemeinderat hätte tun sollen, finden offenbar viele.

Das Thema Budget ist in Glattfelden noch nicht gegessen. Die zweite Gemeindeversammlung dazu haben Mitte März 146 fieberfreie Stimmberechtigte besucht. Bei der ersten Anfang Dezember waren es 141.

 

Zu Beginn erläuterte Finanzvorsteherin Michèle Dünki-Bättig noch einmal den Budgetprozess, der sich über Monate hinziehe und nicht in den wenigen Wochen seit der Ablehnung im Dezember mit völlig neuem Resultat wiederholt werden könne. Sie versicherte jedoch, dass niemand Geld zum Fenster hinauswerfe und man die kommenden Investitionen ganz genau prüfen und nötigenfalls streichen würde.

 

So zeigten sich die Unterschiede denn auch vor allem auf der Einnahmenseite (siehe «Glattfelder» vom 4.  März): Der Buchgewinn aus einem inzwischen vollzugsbereiten Landverkauf an der Hermigasse (797 000 Franken, siehe Schluss), und zusätzliche Grundstückgewinnsteuern (1,02 Millionen). Tiefer fallen hingegen die gesetzliche wirtschaftliche Hilfe und Sozialhilfe aus. «Gespart» wurde ausserdem in der Schule, wo die Skilager wegen Corona ausfielen.

 

Wie im Dezember beantragte der Gemeinderat der Versammlung eine Steuerfusserhöhung um 5 auf 120 Prozent. Und wie im Dezember mahnte die Rechnungsprüfungskommission, dass das Budget im Moment «finanzrechtlich zulässig und rechnerisch richtig ist», dass aber mit den anstehenden Investitionen bis 2025 ein ungenügender Selbstfinanzierungsgrad von 37 statt 100 Prozent resultiert. Dies trotz mehr Steuereinnahmen (ab 2021) und mehr Geld aus kantonalen Töpfen wie dem Ressourcenausgleich (ab 2023), den Zusatzleistungen (ab 2022) und dem kantonalen Strassenfonds (ab 2023).

 

Die folgende Diskussion sollte rund zwei Stunden dauern. Darin meldete sich alt Gemeinderat Otto Hollenstein mit einer ganzen Liste von Sparvorschlägen zu Wort. Das vorgeschlagene, wenig veränderte Budget sei «unter der Würde des Gemeinderats», dem offenbar «die Sensibilität, was die Bürger plagt», fehle. Pauschale Rückweisungen brächten aber nichts, weshalb er im Vorfeld konstruktive Änderungsanträge eingereicht (und damit die Arbeit des Gemeinderates übernommen) habe.

Selber machen ist günstiger

Der erste betraf die Zustandsanalyse der Gemeindeliegenschaften, die dank eigener Kompetenzen – schliesslich habe man inzwischen einen vollamtlichen Liegenschaftenverwalter angestellt – statt 50000 nur 25 00 Franken kosten sollte und die ein weiterer Stimmberechtigter gar auf 2000 Franken kürzen wollte. Die Versammlung stimmte der Halbierung mit 78 zu 43 Stimmen zu.

 

Der zweite Antrag sah vor, die geplante Parkuhr bei der Badi zu streichen, weil die Rechtsgrundlage dafür fehlt, was René Gasser, Vorsteher Infrastruktur, bejahte und das Geschäft zurückzog. Somit entfallen sowohl 12 000 Franken für die Parkuhr (und gemäss Hollenstein weitere 10000 Franken für die notwendigen Kontrollen), aber auch 43000 Franken an Parkgebühren. Dafür werden die Einnahmen aus Eintritten um 15000 Franken nach oben korrigiert.

 

Weiter forderte Hollenstein, die 19000 Franken teure externe Analyse zu Tempo 30 als «nice to have» zu streichen. Das sah auch die offensichtliche Mehrheit der Versammlung so.

 

Auch sollte die Gemeinde gemäss Hollenstein (und der Versammlung) darauf verzichten, für 10000 Franken Parkplätze neu zu markieren. Zum Ersten seien die Parkfelder für heutige Fahrzeuge ohnehin zu klein, zum Zweiten könne man das nachholen, wenn die Nachtparkverordnung überprüft werde, damit die Gebühren kostendeckend würden.

 

Weitere 55000 Franken spart die Gemeinde, weil die lokale Energieversorgerin LKW in der Hermigasse vorläufig kein Glasfasernetz baut. Schliesslich tue die Swisscom in der Nähe dasselbe. Gemeinderat Gasser entgegnete, der Betrag sei eine einfache Schätzung des Ingenieurs zur Investitionsplanung und die Gemeinde lasse überdies hier nur Leerrohre verlegen, wie dies in einer Vereinbarung mit der LKW von 2013 stehe.

Nicht alle Fragen beantwortet

Nicht durchgedrungen ist Hollenstein mit dem Vorschlag, keine vierte Pressmulde für die Sammelstelle anzuschaffen, bis der Versuch, auch Haushaltplastik zu sammeln, abgeschlossen sei. Gemeinderat Gasser rechnete vor, dass die zwei gemieteten Mulden jährlich 10000 Franken kosten und sich der Kauf einer eigenen für 28 000 Franken innert dreier Jahre amortisiert.

 

Auch Hollensteins Vorschlag, den Fussweg Steinistrasse nicht tiefer-, und dafür ein Projekt für die komplette Strasse vorzulegen, lehnte die Versammlung ab.

 

Unbeantwortet blieb Tommy Hafners Frage, woher die zusätzlichen Grundstückgewinnsteuern kämen. Finanzvorsteherin Dünki-Bättig verwies auf das Steuergeheimnis, doch die konkrete Handänderung, also ein Landverkauf, sei vorgenommen worden. Auch diverse Fragen von Martin Reimann blieben ohne Antwort, weshalb dieser vermutete, die Bevölkerung werde über den Tisch gezogen. Seine kleineren Sparanträge beim Personalaufwand für die Exekutive fanden aber keine Mehrheit. Insgesamt entlasteten die Anträge die Glattfelder Erfolgsrechnung um 39800 Franken, die Investitionsrechnung um 55000 Franken.

Hermigasse-Land verkauft

Nachdem das Budget unter Dach war, ging es um den zu erhöhenden Steuerfuss. Corona, Kurzarbeit, Jobverlust und eine Steuererhöhung seien zu viel, fand etwa Peter Demuth. Tommy Hafner will gute Steuerzahler nach Glattfelden locken und stellte den Antrag, den Steuerfuss bei 115 Prozent zu belassen, womit, wie eben bewiesen, ein ausgeglichenes Budget möglich sei. Ihm widersprach Thomas Steiner, der darauf hinwies, das nun ausgeglichene Budget enthalte auch Einmaleffekte wie die Grundstückgewinnsteuern und den Landverkauf Hermigasse, was 2022 fehlen werde. Beat Plüss suchte den Kompromiss und schlug – vergeblich – 117 Prozent vor. Die Glattfelderinnen und Glattfelder entschieden sich am Schluss mit 74 zu 62 Stimmen für den erhöhten Steuerfuss von 120 Prozent.

 

Ohne Diskussion zugestimmt wurde dem Verkauf des gemeindeeigenen Grundstücks an der Hermigasse. Die zwölf eingereichten Offerten seien gründlich geprüft worden, sagte Finanzvorsteherin Michèle Dünki-Bättig. Der Zuschlag erfolge nun an die ortsansässige Baugenossenschaft Glattfelden, die das zweithöchste Gebot gemacht hatte – nur gerade 0,25 Prozent unter dem Höchstpreis. Dabei reichten die Preise von einer halben bis 1,5037 Millionen Franken. Trotzdem gab der Verkauf kaum zu reden; man schien froh, die 1376 Quadratmeter so deutlich über dem Schätzwert verkaufen zu können, dass niemand Fragen nach dem Zustandekommen der winzigen Preisdifferenz stellte.

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