Storchenküken meistern die ersten Tage

Bruterfolg hoch über dem Spinnereiquartier

| Yvonne Russi

In einer bewegenden Mischung aus Erfolg und kleinen Rückschlägen hat das Storchennest auf dem Spinnereikamin Zuwachs bekommen: Drei Küken sind geschlüpft, während zwei Eier das Schicksal nicht teilen konnte. Nicht nur Glattfelden, sondern das ganze Zürcher Unterland verfolgt gespannt das Aufwachsen der jungen Störche, deren Leben von einer Webstream eingefangen und in die Welt herausgetragen wird.

Es sind die kleinen Wunder der Natur, die in Glattfelden jedes Jahr aufs Neue faszinieren. Die Störche, Wahrzeichen des naturnahen Lebens, haben erneut für Aufsehen gesorgt. Störchin Judith legte bis am 31. März insgesamt fünf Eier. Seit dem ersten Ei, das am Abend des 22. März von der Störchin gelegt wurde, hält die Storchencam die Augen der Öffentlichkeit gebannt auf das Nest gerichtet.

Neues Leben im Storchennest

Die Brutzeit, eine kritische Phase im Leben der Störche, wurde mit grosser Hingabe von den Storcheneltern begleitet. Nach einer durchschnittlichen Bebrütungsdauer von 32 bis 34 Tagen zeigten sich in drei der fünf Eier die ersten Anzeichen von Leben. Die Livestream-Besucher waren Zeugen, wie die ersten Küken in der Nacht vom 25. auf den 26. April das Licht der Welt erblickten. Zwei Tage später schlüpfte das dritte Küken, welches sich trotz anfänglicher Herausforderungen durch die älteren Geschwister schnell in das Familiengefüge integrierte.

Schicksal der Natur

Ein Ei wurde von Störchin Judith am 6. April aus dem Nest befördert. Störchin Judith stoppte die Bebrütung, indem sie das offensichtlich defekte Ei an den Rand des Nestes schob. Und ein weiteres Ei, welches am 2. Mai aus dem Nest entfernt wurde, war eine stumme Erinnerung daran, dass nicht jedes Brutabenteuer erfolgreich endet. Doch der natürliche Kreislauf geht weiter, und die überlebenden Küken entwickeln sich prächtig. Sie tragen bereits ihr erstes, grauweisses Dunenkleid, das sie vor der Witterung noch nicht ausreichend schützt. Ihre Eltern sorgen mit unermüdlicher Fürsorge dafür, dass die Küken gefüttert und gewärmt werden, während sie auf die prägenden ersten Flugversuche warten.

Mit dem Schlupferfolg von drei bei fünf Eiern liegen die Störche Gottfried und Judith genau auf der statistischen Erfahrung, welche von 60% ausgeht. Diese statistischen Zahlen nach Daten von M. Bloesch zeigen, dass bei einer Gelege-Grösse von fünf Eiern 30% unbefruchtet oder abgestorben sind und rund 10% wohl befruchtet sind, aber kein Küken schlüpft.

Der Livestream hat seit seinem Beginn über 150’000 Aufrufe verzeichnet und zieht Tag und Nacht Zuschauer an. Die Technologie ermöglicht es, die Entwicklung der Störche in Echtzeit zu verfolgen und bietet Einblicke, die früher undenkbar waren.

Die kommenden Phasen

In den kommenden Wochen können die Zuschauer der Glattfelder Storchencam spannende Entwicklungsphasen der jungen Störche miterleben. Während die Küken ihr grauweisses Dunenkleid nach und nach verlieren, werden die ersten Deckfedern sichtbar werden. Mit dem neuen Federkleid werden sie zusehens robuster.

 

Im Juni entwickeln sie sich zu eigentlichen Jungstörchen. Sie beginnen, ihre Flügel zu stärken und erste Flugübungen im Nest durchzuführen. Dies ist ein unterhaltsamer Moment für die Beobachter, da die jungen Störche spielerisch lernen, wie sie ihre Flügel effektiv einsetzen können. Die Erstflüge werden dann so anfangs Juli erwartet.

Nun ist wirklich zu hoffen, dass die drei Küken die nächsten Tage und Wochen überstehen und gesund gedeihen. Doch auch mit «Kindstötung» (Infantizid) muss gerechnet werden. Denn das gehört bei den Weisstörchen zum Verhaltensmuster. Das aus unserer Sicht absurde und auch brutale Verhalten widerspiegelt letztlich die Natur. Denn in der rauen Welt der Störche werden kranke Jungvögel oft aus dem Nest ausgeschieden. Ebenso ergeht es Tieren, die nicht mehr essen oder einfach zu schwach sind, um mit ihren Geschwistern um Nahrung und Aufmerksamkeit der Eltern zu konkurrieren. Dieser harte Selektionsprozess stellt sicher, dass nur die stärksten und gesündesten Jungtiere überleben.

Auch kann es vorkommen, dass die Eltern nicht in der Lage sind, genügend Futter für alle Jungtiere herbeizuschaffen. In solchen Fällen müssen sie eine schwere Entscheidung treffen, welche Küken gefüttert werden und welche nicht. Diese Entscheidung basiert auf der Einschätzung der Überlebenschancen jedes einzelnen Kükens und ist ein weiterer Aspekt des natürlichen Selektionsprozesses.

Trotz dieser herausfordernden Aspekte der Natur bleibt Raum für Hoffnung. Die überwiegende Mehrheit der Storchenküken, die die ersten kritischen Tage und Wochen überstehen, entwickelt sich zu starken und gesunden Vögeln. Mit jedem Tag, den sie im schützenden Nest unter den wachsamen Augen ihrer Eltern verbringen, wachsen ihre Chancen, sich zu voll entwickelten Störchen zu entfalten, die schliesslich bereit sind, selbstständig zu fliegen.

So stehen uns hoffentlich noch viele wunderbare Momente bevor, die die Natur in ihrer ganzen Pracht offenbart. Es sieht sehr vielversprechend aus!

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